Frauen in Bewegung: 1848-1938

Kon/Texte
Frauenbewegung/en

Wie Frauenbewegung geschrieben wird
 
Wandlung der Frauenbewegung

Angesichts veränderter Bedingungen galt Frauenbewegung im Österreich der Zwischenkriegszeit mitunter als nicht länger aktuell. Mit der Erreichung angestrebter Ziele stellte sich die Frage, ob das heroische Zeitalter der Frauenbewegung ein – erfolgreiches – Ende gefunden hatte oder ob die Vielfalt neuer Probleme eine Wandlung der Frauenbewegung erforderte. Auf den Punkt gebracht lautete das Dilemma: „Ziel oder Wende?“ Die wiederholt konstatierte Krisenhaftigkeit der Frauenbewegung schien eine Neubestimmung ihrer Sinnhaftigkeit notwendig zu machen.

Die Neuorientierung der Frauenbewegung erwies sich allerdings insofern als schwierig, als die Vorstellungen von der anstehenden Wende einander rundweg widersprechen konnten. Gerade erzielte Erfolge zeigten bestehende Ambivalenzen auf: So verlangte etwa die zunehmende Frauenberufstätigkeit einerseits nach weiblicher Berufsorganisation und Standesvertretung, was durchaus als ein möglicher Ausdruck künftiger Frauenbewegung verstanden wurde. Andererseits spekulierten selbst Protagonistinnen der Frauenbewegung über die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und weiblicher Wesensart und stellten damit weiblicher Erwerbstätigkeit zumindest in gewissen Arbeitsbereichen prinzipiell in Frage.

In Anbetracht derartiger Tendenzen zeigte sich die Wandlung der Frauenbewegung in Form wachsender Differenziertheit hinsichtlich ihrer Anliegen: Das vermehrte Bewusstsein für die Vielfalt weiblicher Lebensrealitäten erschwerte leicht vermittelbare Forderungen. In Theorie wie Praxis gelang es zunehmend weniger, Ziele zu formulieren, die alle Frauen ansprachen. Die Wende innerhalb der Frauenbewegung mag aber auch in der Verbreiterung ihrer Ansprüche gelegen haben: Die Frauenbewegung lies sich nicht länger auf eine Berufs-, Wahlrechts- oder Gleichberechtigungsfrage reduzieren, sondern wurde zur politischen Machtfrage, internationalen Friedensfrage und allumfassenden Kulturfrage erklärt. Frauenbewegung würde nicht länger die Verbesserung einer speziellen Gruppe (von Frauen) bezwecken, sondern hätte vielmehr das Wohl der Gesamtheit zum Ziel.


Literatur:
Die Frauenfrage - eine Kulturfrage. - In: Österreichs Frauenzeitung 3 (1929) 26, 1
Fürth, Ernestine: Der Sinn der Frauenbewegung. - In: Die Österreicherin 1 (1928) 6, 1-
Hoheisel, Marie: Neue Aufgaben der Frauenbewegung. - In: Neue Freie Presse, Nr. 25307, 24.02.1935, 3
Radakovic, Mila: Zukünftiges zur Frauenfrage. - In: Österreichs Frauenzeitung 5 (1931) 2, 2
Urban, Gisela: Jugend und Frauenbewegung. - In: Die Österreicherin 2 (1929) 8, 2
Wozu noch Frauenbewegung? - In: Österreichs Frauenzeitung 4 (1930) 2, 2

von Natascha Vittorelli












   
© 2013 Ariadne - Österreichische Nationalbibliothek