Zwischen Königgrätz und Córdoba

Eine kurz(weilig)e Geschichte Österreichs in Schlagzeilen und Bildern bietet die Ausstellung "Zwischen Königgrätz und Córdoba" im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek. Zusammengetragen aus den vielfältigen Sammlungen des Hauses, präsentiert die Schau einen ebenso unterhaltsamen wie spannenden Streifzug durch jene Meldungen, die das Land in den letzten 500 Jahren bewegt und geprägt, aber auch erschreckt und belustigt haben.

Königgrätz 1866 und Córdoba 1978 stehen dabei für zwei Extreme österreichischer Befindlichkeit – hier die fatale militärische Niederlage gegen die preußische Armee, dort der gnädige Fußballgott, der dem Land einen historischen Sieg über Deutschland bescherte. Diese beiden spektakulären Meldungen sind der Ausgangspunkt für eine Vielzahl an Titelgeschichten, Sensationen, Skandalen und Zeitungsenten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Ob "allerhöchste Nachrichten" vom Hof, das abenteuerliche Schicksal der Gebeine Beethovens, der bejubelte Karl Schranz am Ballhausplatz oder der erste Österreicher im Weltraum – rund 170 einzigartige Exponate erinnern an bedeutende Ereignisse in der Geschichte Österreichs und zeigen auf, was sich im nationalen Gedächtnis des Landes für immer verankert hat.

Weltuntergänge und Kaiser-Hochzeiten

Was wir über die Welt wissen, wissen wir durch die Medien. Ob Zeitungen und Zeitschriften, Radio und TV oder das Internet die Medien sind die Augen und Ohren unserer Gesellschaft. Das gilt nicht erst im heutigen Informationszeitalter, das galt auch schon im 16. Jahrhundert. Ein Sammelsurium an außergewöhnlichen Begebenheiten und einer der Glanzpunkte der Schau ist die kunstvoll illustrierte Handschrift "Über Wunderzeichen" des Vorarlberger Chronisten Jacob Mennel aus dem Jahre 1503. Der Hofgeschichtsschreiber von Kaiser Maximilian I. zeichnete darin wort- und bildreich unheimliche Himmelserscheinungen aus dem Dunstkreis von Aberglauben, Alchemie und Astrologie auf. Bedrohliche Kometen, Blutregen und Heuschreckenplagen: das Werk ist eine faszinierende Dokumentation der apokalyptischen Stimmung jener Zeit.

Nicht weniger beeindruckend auch die zahlreichen Flugblätter aus der Anfangszeit des Buchdrucks, die in der Ausstellung zu sehen sind: So berichtet eine "Newe Zeittung" von 1591 über eines der stärksten Erdbeben in Österreich im Raum Neulengbach. Mit Zusätzen wie "wunderbarlich", "glaubwürdig" und "wahrhafftig" unterstrichen die Autoren die Echtheit ihrer Meldungen. Ergänzt wurden die Berichte für den leseunkundigen Teil des Publikums mit eindrucksvollen Holzschnitten so wie bei Conrad Wolfharts schaurigem Bericht aus Ungarn von 1549, demzufolge den "leuthen schlangen / krotten und natern im leyb" wuchsen.

Spektakuläres ereignete sich aber nicht nur in der Natur, sondern auch am Kaiserhof. Schon vor dem Aufkommen der Zeitungen wurden besondere Hof-Anlässe durch taktische PR-Arbeit als wichtige dynastische Ereignisse inszeniert. Ein gutes Beispiel dafür ist ein illustriertes Hochzeitsgedicht von Jason Mayno aus dem Jahre 1509. Es präsentiert die den Finanznöten der Habsburger geschuldete Zweckheirat von Kaiser Maximilian I. mit Bianca Maria Sforza als himmlische Liebesheirat: ein weiterer farbenprächtiger Höhepunkt der Ausstellung. Aus jüngerer Zeit, aber nicht weniger spektakulär, ist die Sonderausgabe des "Illustrirten Wiener Extrablatts", die am 29. Juni 1914 bereits um 12 Uhr mittags über die Ermordung des Thronfolgerpaares in Sarajewo berichtete. Ein bewegendes erstes Zeugnis vom bevorstehenden Untergang der Habsburger-Monarchie.

Beethovens Schädel und das Wunder von Córdoba

Weitaus weniger dramatisch, dafür umso skurriler war das abenteuerliche Schicksal der Gebeine Beethovens, die Opfer des im 19. Jahrhundert grassierenden Devotionalienkults wurden. Schon während der Aufbahrung schnitten Verehrer Beethovens Kopfhaare als Reliquien ab und mehrmals wurde sein Grab geöffnet, unter anderem um Fotografien von seinem Schädel anzufertigen, wie ein Originalbild von 1863 in der Ausstellung bezeugt.

Geradezu beschaulich und unbeschwert wirkt demgegenüber eine Meldung aus dem Biedermeier, die vom Volksauflauf erzählt, den die Ankunft der ersten Giraffe 1828 in Wien auslöste: "Sie ist da! Ist glücklich angekommen! – Wer? Was? – Die Girafe!!! So tönt es jetzt fast aus jedem Munde, und diese Nachricht schnell seinen bekannten und Freunden mitgetheilt, benützt jeder die erste Zeit der Muße, in die Menagerie des k. k. Lustschlosses Schönbrunn zu eilen."

Ähnliche emotionale Aufwallungen lösten rund 150 Jahre später zwei sportliche Ereignisse aus, die bis heute unvergessen sind und damals die Titelseiten füllten. Legendär etwa der Auftritt des Skirennläufers Karl Schranz am Wiener Ballhausplatz nach seinem Ausschluss von den Olypmpischen Winterspielen 1972 in Sapporo. 100.000 Menschen begrüßten den zum Sportstar gewordenen Schranz, als dieser auf den Balkon des Bundeskanzleramts trat. Nicht weniger legendär auch der Ausruf des ORF-Kommentators Edi Finger, als die österreichische Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 1978 Deutschland mit 3:2 besiegte und aus dem Turnier schoss: "Toor, Toor, I werd narrisch!". Das Bild vom entscheidenden Treffer ist natürlich ebenfalls in der Schau zu bewundern.

Zwentendorf und Bernhard-Eklat: Skandale im Nachkriegsösterreich

Schlechte Neuigkeiten ergeben bekanntlich gute Meldungen. Fast täglich berichten die Medien daher von kleinen oder großen Skandalen. Was die öffentliche Meinung aufregte, aber auch amüsierte, das zeigen in der Ausstellung prominente Beispiele aus der österreichischen Nachkriegsgeschichte. Zwei politische Aufreger der 2. Republik dürfen da natürlich nicht fehlen: Zwentendorf und Hainburg. Als unter dem Eindruck der Energiekrisen der 1970er Jahre im niederösterreichischen Zwentendorf das erste Atomkraftwerk des Landes gebaut wurde, kam es zu Anti-AKW-Initiativen und Demonstrationen. Die Protestwelle mündete 1978 in die erste bundesweite Volksabstimmung in Österreich. Mit einer Wahlbeteiligung von 64,1 Prozent und einer knappen Mehrheit von 30.000 Nein-Stimmen wurde gegen die Inbetriebnahme des bereits fertiggestellten Kraftwerks gestimmt, das damit zur größten Investitionsruine der Republik Österreich wurde.

Keine geringere politische Herausforderung stellte auch die geplante Errichtung eines Wasserkraftwerks in Hainburg an der Donau dar. Naturschützer protestierten gegen die vorgesehenen Eingriffe in die Flusslandschaft, während die Befürworter – notfalls auch mit Blasmusik, wie ein bemerkenswertes Foto in der Ausstellung dokumentiert – mit der Schaffung von Arbeitsplätzen argumentierten. Unter dem Druck der Medien und der öffentlichen Meinung verhängte die Regierung im Dezember 1984 schließlich einen Rodungsstopp, das anschließende Volksbegehren setzte dann endgültig einen Schlussstrich unter das Projekt.

Eine öffentliche Erregung ganz anderer Art geschah hingegen am 4. März 1968 bei der Verleihung des Staatspreises für Literatur. Der Preisträger: Thomas Bernhard. Bei der Veranstaltung, die mittlerweile als erster Bernhard-Eklat in Österreichs Kulturgeschichte eingegangen ist, trug der Autor eine kurze Rede vor, von der er später sagte: "Ich dachte, das ist ein ganz ruhiger Text, mit dem ich mich hier, weil ihn doch kaum jemand versteht, mehr oder weniger ohne Aufhebens aus dem Staub machen könne (...)". Blickt man in der Ausstellung auf das originale Typoskript der Rede, in der Bernhard vom "ahnungslosen Volk" im "Requisitenstaat" raunt, wird man darin kaum einen "ruhigen" Text erkennen können. Entsprechend scharf waren dann auch die Reaktionen des Publikums und der Presse, die den ironischen Unterton nicht zu hören vermochten.

Sorgte Bernhard mit seiner Rede für einen Sturm der Entrüstung im Blätterwald, zeigte der Kabarettist Karl Farkas im Fasching 1969, wie man sensationslüsterne Massen und Medien aufs Glatteis führt. In verblüffend gelungener Verkleidung als griechischer Multimilliardär Aristoteles Onassis reiste er gemeinsam mit der als Präsidentenwitwe Jacky Kennedy kostümierten Elly Naschold per Sonderzug nach Graz, wo die beiden vom Bürgermeister, dem gesamten Stadtsenat und jubelnden MitbürgerInnen begrüßt wurden, die alle keine Ahnung von diesem Scherz hatten. Erst die abendliche "Zeit-im-Bild"-Sendung lüftete schließlich das Geheimnis.

"Fuggerzeitungen" und Zensur: eine kurze Geschichte der Medien

"The medium is the message" lautet das bekannte Diktum des amerikanischen Medientheoretikers Marshall McLuhan. Die Ausstellung bietet daher auch einen kurzen Überblick über die Geschichte der Medien, der bis zu den spätantiken Nachrichten auf Papyrus zurückreicht, die etwa Auskunft über den Wasserstand des Nils gaben. Bis ins Spätmittelalter wurden solche schriftlichen Nachrichten durch Herolde oder Boten verbreitet, wie unter anderem eine kunstvolle Miniatur aus dem berühmten Ambraser Heldenbuch (1504–1517) im die Ausstellung begleitenden Katalog zeigt. Laut Dienstanweisung für Postillione mussten die Boten "bei dem Galgen Tag und Nacht bis zu des Kaisers Majestät" reiten und bewältigten etwa sechs Kilometer pro Stunde. Erst der Aufbau des Postwesens unter Kaiser Maximilian I. sowie das Aufkommen von Zeitungen beschleunigten dann im 16. Jahrhundert die Weitergabe von Informationen.

Unter der Bezeichnung Zeitung tauchten damals mit Nachrichten aus aller Welt gefüllte mehrseitige Druckwerke auf, die mindestens einmal pro Woche öffentlich vertrieben wurden. Geschrieben wurde über staatstragende Ereignisse, Krönungen und kriegerische Auseinandersetzungen ebenso wie über spektakuläre Mordfälle und menschliche Missbildungen. Nicht anders als heute, wurde aus den wichtigsten Handels- und Nachrichtenzentren der Welt berichtet. Um 1600 waren das europäische Städte wie Rom, Antwerpen, Lyon, Köln, Prag und Wien aber auch Orte in Übersee, in Indien oder dem Nahen Osten.

Die wohl berühmtesten ersten Zeitungen der Geschichte sind die handschriftlich verfassten Berichte für die Kaufmannsfamilie der Fugger. Die sogennannten "Fuggerzeitungen" gehören zu den Schätzen der Österreichischen Nationalbibliothek und sind in der Ausstellung zum ersten Mal öffentlich zu sehen. Sie spiegeln in beeindruckender Weise auch den Wandel in der Medienlandschaft wider: Wie hunderte andere historische Zeitungen sind sie heute digitalisiert und weltweit online über das Portal ANNO (Austrian Newspapers Online) auf der Webseite der Österreichischen Nationalbibliothek zugänglich.

Ab dem 17. Jahrhundert erschienen im deutschsprachigen Raum übrigens auch die ersten gedruckten Zeitungen. Aus dem Jahr 1703 stammt das "Wiennerische Diarium", es besteht als "Wiener Zeitung" bis heute und ist damit die älteste noch in Folge erscheinende Zeitung der Welt. Mit dem Siegeszug der Zeitungen wuchs aber auch das politische Interesse an ihnen und der Wunsch, die publizierten Inhalte zu bestimmen: Die General-Zensur-Verordnung von 1795 regelte die Kontrolle von Publikationen der damaligen Zeit und bildete die Grundlage für die spätere Zensurpraxis. So fielen der strengen Kontrolle im Biedermeier rund 40.000 Titel zum Opfer, darunter auch Werke von Lenau, Grillparzer und Nestroy. Ein anschauliches Beispiel für die staatliche Unterdrückung von Informationen ist in der Ausstellung zu sehen: Auf der Titelseite der Zeitschrift "Muskete" vom 4. Juni 1908 ist auf weißem Hintergrund mit schwarzer Schrift zu lesen: "Die erste Seite wurde von der k. k. Staatsanwaltschaft beschlagnahmt."

Ort

Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
Josefsplatz 1, 1010 Wien

Dauer

17. Mai 2013 – 3. November 2013

Öffnungszeiten

Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr
Donnerstag 10 – 21 Uhr

Eintritt

€ 7,–
Ermäßigungen siehe hier
Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren haben freien Eintritt in alle musealen Bereiche.

Freier Eintritt

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Führungen

Zum Preis von € 4,– jeden Donnerstag um 18 Uhr sowie
nach Vereinbarung unter
Tel.: (+43 1) 534 10-464, -261
Treffpunkt an der Prunksaalkasse

Zur Ausstellung

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: € 29,90
Erhältlich an der Prunksaalkasse

Hinweis

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last update 16.05.2013