Entstehungskontext
Das dritte Hörspiel Peter Handkes entstand 1969 (Mixner 1977, S. 93), wurde am 7. Mai 1970 in WDR III urgesendet und im November 1970 in dem im Suhrkamp Verlag veröffentlichten Hörspielsammelband Wind und Meer erstmals abgedruckt. Im Entstehungszeitraum lebte Handke bis Ende 1969 zusammen mit Libgart Schwarz und der gemeinsamen Tochter Amina in Berlin und übersiedelte mit ihnen 1970 nach Paris, wo sie im Winter 1970/1971 die Entscheidung trafen, wieder nach Deutschland, diesmal nach Kronberg am Taunus, zu ziehen (Pichler 2002, S. 89-90). Am 14. Februar 1970 erwähnte Handke das zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellte Hörspiel indirekt in einem Brief an seinen Freund Alfred Kolleritsch: »Was ich mir beim Hörspiel gedacht habe? Daß Geräusche, von denen man nicht weiß, woher sie kommen, irritieren und sprachliche Vergleiche evozieren, blabla. Naja, wenn man in einem stillen Raum sitzt, hört man allmählich Traumgeräusche, beim Lesen etc. Die Geräusche mußten nur irgendwie sinnlich genug sein, damit sie nicht kriminalistisch wirkten, die Geräusche sind schon selber irgendwie Bilder, oder Wörter, oder Ausrufe, oder irgendwie irgendwas.« (Handke / Kolleritsch 2008, S. 36)
In einem Gespräch mit Heinz von Cramer im Jänner 1971 äußerte sich Peter Handke über seine Grundidee zu Geräusch eines Geräusches: »Geräusch eines Geräuschs ist mir persönlich fast das liebste Hörspiel, weil es den Hörer ganz frei läßt, ihm überhaupt keine Bedeutung sagt, weil es wirklich nur ganz konstruktivistisch mit Elementen von Stimmung und Traum arbeitet und weil ich mich darin völlig von diesen Hörspielen mit Sprecherstimmen befreit habe, die mir eigentlich alle Hörspiele zuwider machen.« (Cramer 1972, S. 33) Die Textvorlage, in der eine Abfolge von Geräuschereignissen vorgegeben ist, möchte Handke als »eine Art Arbeitshypothese« verstanden wissen, im Gegensatz zur völlig freien Improvisation. Handke unterscheidet mit der Vorgabe der Auswahl und Montage die Realisierung des Hörspiels klar von einem naturalistischen Ansatz und von der Geräuschaufzeichnung in einer realen Umgebung. Geräusch eines Geräusches entstand im Kontext einer sprachexperimentellen Wiederbelebung des Hörspiels ab Ende der 1960er Jahre (Renner 1985, S. 61-62). Der Regisseur Heinz von Cramer, der das Hörspiel unter dem Produktionstitel Hörspiel Nr. 3 für den Westdeutschen Rundfunk erstmals umsetzte, gestand im Gespräch mit Handke seine persönlichen Verständnisschwierigkeiten ein: »Dagegen hat mir ihr anderes Hörspiel Geräusch eines Geräuschs große Schwierigkeiten gemacht, weil es aus überhaupt nicht mehr identifizierbaren Geräuschen besteht. [...] Ich habe es genau ausgeführt wie es auf dem Papier stand, aber für mich ist da nichts Neues entstanden, kein neues Spannungsfeld.« (Cramer 1972, S. 30) (ck)