Entstehungskontext

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Chronik der laufenden Ereignisse war als Filmdrehbuch für eine »Allegorie [...] vom Leben in der Bundesrepublik im Jahre 1969 oder den vorangegangenen Jahren« intendiert. Wie Handke in seinem Text Die Chronik der laufenden Ereignisse beim Drehen der "Chronik der laufenden Ereignisse" (Fernsehen und Film 5/1971) schreibt, wurde er »[g]egen Ende 1968 [...] gefragt, ob [er] Lust hätte, das Drehbuch für einen Fernsehfilm zu schreiben«. Als Vorlage für die Titelgebung nennt Handke die gleichnamige sowjetische Untergrundzeitung (Chronika Tekuschtschich Sobytij, vgl. von Tarnow 1971, S. 12). Als Vorlage, die »in Fragmenten immer wieder durch[kommt]«, bezeichnet er Dashiell Hammetts Der gläserne Schlüssel (vgl. Blum 1972, S. 80-82), dessen Nacherzählung in der Verfilmung jedoch »kaum mehr deutlich wird« (Renner 1985, S. 113). Die Namen der beiden Protagonisten, Sam Beaumont und Philip Spade, sind Anspielungen auf Figuren in Romanen Hammetts (vgl. Mixner 1977, S. 116). Zentral ist die beinahe wörtlich in der 15. Szene von Hammett zitierte Dialogstelle über den »Alptraum vom gläsernen Schlüssel«. Als Selbstzitat ist in der zweiten Szene ein Bild aus Handkes eigenem Stück Das Mündel will Vormund sein verarbeitet.

Dass Peter Handke Ende Oktober 1969 beabsichtigte, mit dem Schreiben von Chronik der laufenden Ereignisse zu beginnen, teilte er am 25. September 1969 in einem Brief an Karl-Heinz Braun (Verlag der Autoren) mit: »Das Fernsehspiel "Chronik der laufenden Ereignisse" werde ich Anfang Oktober anfangen, bis Ende Oktober ist es dann fertig oder auch nicht.« (Universitätsarchiv Frankfurt, A: Verlag der Autoren, Bestand Peter Handke) Handke verfasste das Drehbuch in Paris, die Fertigstellung gibt er im Nachwort der Buchausgabe (datiert mit 6. bis 8. April 1971) mit »März 1970« an. Im ersten Heft der "Suhrkamp-Informationen" im Jahr 1970 erschien bereits ein erster Vorabdruck unter dem Titel Der Schalter eines Fundbüros. Chronik der laufenden Ereignisse war der erste Film, bei dem Handke selbst Regie führte. Von den 45 im Drehbuch beschriebenen Sequenzen fehlen in der Verfilmung die Sequenzen 10, 21, 24, 27, 30 und 37 – »die elfte und sechzehnte Szene wurden durch ein "improvisiertes Gespräch" erweitert«. (Mixner 1977, S. 114) Gedreht wurde im Oktober und November 1970 in der Nähe von Köln, die Erstausstrahlung erfolgte am 10. Mai 1971 in der WDR-Reihe Fernsehspiel am Montag (vgl. CE 127 und Pichler 2002, S. 96).
Als Buch wurde Chronik der laufenden Ereignisse erst nach der Fertigstellung des Films herausgegeben. Am 9. September 1971 hatte der Verleger Siegfried Unseld einem Brief zufolge das vorab hergestellte Korrekturexemplar von Handke bereits zugesandt bekommen. Als Auslieferungsdatum des Buches ist frühestens der 21. September 1971 anzunehmen, da Unseld an diesem Datum das erste Exemplar in Händen hielt (vgl. Handke/Unseld 2012). Chronik der laufenden Ereignisse enthält eine Widmung »Für Bernd und Ute Bohmeier und ihre Wohnung«, mit der sich Peter Handke für die Unterkunft in Köln im Jahr 1971 bedankt, da er dort dieses Filmbuch schreiben konnte. (ck)

verwendete Literatur

Handke, Peter: Chronik der laufenden Ereignisse. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1971.
Handke, Peter: Die Chronik der laufenden Ereignisse beim Drehen der "Chronik der laufenden Ereignisse". In: Fernsehen und Film 5/1971, S. 10-12.

von Tarnow, Alexander: Demokratie in der Illegalität. Die "CHRONIK" der laufenden Ereignisse Ein Untergrund-Informationsblatt in der Sowjetunion. Stuttgart: Seewald 1971.
Blum, Heiko R.: Gespräch mit Peter Handke. In: Scharang, Michael (Hg.): Über Peter Handke. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1972 [zuerst veröffentlicht unter dem Titel Schnitte wie Kinnhaken in: Nürnberger Nachrichten, 21./22.11.1970].
Mixner, Manfred: Peter Handke. Kronberg: Athenäum 1977.
Renner, Rolf Günter: Peter Handke (= Sammlung Metzler, Band 218). Stuttgart: Metzler 1985.
Pichler, Georg: Die Beschreibung des Glücks. Peter Handke. Eine Biographie. Wien: Ueberreuter 2002.

Handke, Peter / Unseld, Siegfried: Der Briefwechsel. Hg. von Raimund Fellinger und Katharina Pektor. Berlin: Suhrkamp 2012.