Pressestimmen

Zu Sichtungen 12./13. Jahrgang

Hermann Schlösser
Wiener Zeitung vom 20.1.2012:

Zu den Aufgaben der Literaturwissenschaft gehört es, historische Materialien vor dem Verschwinden zu schützen. Wie das geschehen kann, zeigt der schön gestaltete Band "Lesespuren - Spurenlesen. Wie kommt die Handschrift ins Buch" (...) Hier werden Randnotizen und Unterstreichungen vorgestellt, die von verschiedenartigsten Lesern in Büchern hinterlassen wurden. Es gab Zeiten, da wurden derartige Zusätze als Verunstaltung angesehen. Der Band "Lesespuren" zeigt jedoch, dass die Annotation eine sehr kreative Umgangsform mit Büchern ist, die allerdings den Übergang ins E-Book-Zeitalter wohl nicht überleben wird.

Wilhelm W. Hemecker
Der Standard, Album, vom 17.2.2012:

Einer der exzessivsten Bearbeiter seiner Bücher war Karl Marx: Mehr als 40.000 Buchseiten mit Marginalien aus seiner Hand sind überliefert, womit sich ein spezieller Band der großen Marx-Engels-Gesamtausgabe eigens beschäftigt.
Um derartige Notate geht es in dem prächtig illustrierten Band Lesespuren - Spurenlesen oder Wie kommt die Handschrift ins Buch: um Randbemerkungen von Autoren und Lesern, um Lesungs-, Hand- und Arbeitsexemplare ohne oder eben mit Durchschuss, um eingelegte Blätter, An- und Unterstreichungen in Blei oder verschiedenen Farben, Durchstreichungen, Strichfassungen für die Bühne, um Annotationen und Ad-Noten, Besitzvermerke und bisweilen auch nur um ein viel sagendes Rufzeichen. Mit Blick auf den "eigentlichen" Text, den gedruckten, geht es hier also um Marginalien im wörtlichen, aber auch im weitesten Sinn.
Solche 'marginalen' Gegenstände der Betrachtung ruhen in einem besonderen Interesse jüngerer Kulturwissenschaft für Randständiges, Randphänomene und Abseitiges, denn abseits des Mainstream blüht nicht nur so manches Schöne und Bedeutsame, das übersehen wird, wenn man mit dem Strom schwimmt, sondern auch die Hauptsache, in der Philologie eben der Text, ist von Randbedingungen abhängig, kann nur in bestimmten Rahmen stattfinden und kann vor allem erst in (Spuren) menschlicher Verarbeitung zu sich selbst finden. (...)
Die schier unendliche Vielfalt, aber auch die immer wieder erhebliche inhaltliche Relevanz wird eindrucksvoll dargelegt.
Der umfangreiche Band, fast ein halbes tausend Seiten lang mit mehr als fünfzig Beiträgen, angereichert um die Erstpublikation einer mit sechzig Holzschnitten von Frans Masereel komplett bebilderten "Geschichte ohne Worte", begleitet gerade eine opulent bestückte Ausstellung gleichen Titels in der Wienbibliothek im Rathaus (...) 

Stephan Schurr
Aus dem Antiquariat NF 10 (2012) Nr. 3/4 :

[…] ›Lesespuren – Spurenlesen‹ ist eine der fesselndsten Publikationen der letzten Zeit, denn das Begleitbuch zu einer Ausstellung […] in der Wienbibliothek im Wiener Rathaus […], lässt uns geradezu fiebernd teilhaben an der Aufdeckung und Deutung von Spuren, die man in Büchern verfolgen kann. Die Frage […] ›Was macht die Handschrift aus einem Buch?‹ […] findet in den über 50 Beiträgen fundierte und fantasievolle, oft brillante Antworten. Marcel Atze […] umreißt in seiner Einleitung das gesamte Spektrum einer buchstäblichen Randkultur des Annotierens, Markierens und Kritzelns in Hand- und Arbeitsexemplaren im Dienste der Wissenschaft, Kunst, Literatur – und nicht nur dort. Die Marginalienforschung, man ahnt es, steckt hierzulande trotz einiger Pionierleistungen (etwa bei Nietzsche oder der MEGA) noch in ihren Anfängen. […] Atzes Eröffnung des Katalogs ist die denkbar beste Einstimmung auf das Kommende […]
Der erste Teil des Katalogs versammelt Selbstzeugnisse von Schreibenden über ihr Verhältnis zum weißen Rand: Clemens J. Setz begründet, virtuos thanatologisch argumentierend, warum er ihn so lässt, wie er ist, Barbara Frischmuth, weshalb sie die Hand nicht von ihm lassen kann, Jan Koneffke, wie er mit Keilen arbeitet und Peter Rosei, aus welchen Gründen er antiquarische Bücher schätzt, in denen er Spuren unbekannter Leser vorfindet. Norbert Scheuers Beitrag enthält die schöne Umschreibung des Unterstreichens als »vegetatives grafisches Nicken «. Die Zeichenwelt des Literaturkritikers Hubert Winkels wird, das ist heute schon seinem Essay anzusehen, der künftigen Spurendeutung noch einige widerspenstige Rätsel aufgeben.
Kern des Katalogs sind Aufsätze über die in der Ausstellung gezeigten Bücher: Alle Arten der Textaneignung und -erschließung, des Kommentars, der Korrektur bis hin zur Neuschöpfung werden hier in einem weiten Panorama vorgestellt. Ein Wiener balneologischer Frühdruck steht am Anfang mit seinen bildlichen Zeugnissen, mittels Zeigehand und Knubbelstab die loci memorabiles zu kennzeichnen. Die umfangreichen Kommentare eines Lesers der literaturgeschichtlichen Vorlesungen von Robert Prutz nutzen die beiden Münchener Germanisten Michael Ansel und Walter Hettche für ein Schlaglicht auf die Mentalität des Bildungsbürgertums der Jahre 1850 bis 1870. Einer der interessantesten Beiträge des Bandes, denn mit diesem Ego-Dokument kommt ein wohl typischer Zeitgenosse zu Wort, von dem man kaum mehr als den Namen kennt. Dass Musiker und Regisseure in Noten und Textbüchern oft überdeutliche Spuren hinterlassen, liegt in der Natur ihres Wirkens. Künstlerisches Gestalten findet zuerst seinen Niederschlag im gedruckten Material, seien es die Bezeichnung des Fingersatzes und der Dynamik bei Musikern, die Retuschen eines Gustav Mahler an Beethovens Neunter Symphonie oder die jede Aufführung penibel vorbereitenden Regiebücher von Max Reinhardt, die 1952 von Marilyn Monroe ersteigert und ihr dann wieder abgeluchst wurden. Mehrere Essays des Katalogs behandeln Textbücher und Partituren, deren Be- und Verarbeitung mit Rot- und Bleistift, mit Stecknadel (die Büroklammer war noch nicht erfunden) und Klebstoff Grundlage sind für theater- und musikgeschichtliche Miniaturen. Mit der Schilderung der nationalsozialistischen »Gleichschaltung« eines österreichischen Schullesebuchs, 1938 in roter Kurrentschrift von einem unbekannten Lektor vorgenommen, gelingt Reinhard Buchberger eine konzentrierte Studie zur Geschichte eines Wiener Verlags nach dem ›Anschluss‹. […]
Der größte Teil des Katalogs beschäftigt sich indes jenseits dieser pragmatischen Fragen mit den Begegnungen auf höchster Ebene in Werken der Literatur. Ein großer Bogen wird hier gespannt von Rückerts vollständig den Seitenrand ausfüllenden Verbesserungen an Schacks Übersetzung des persischen Epos ›Shahname‹ bis hin zum Sprachfanatiker Karl Kraus, dem es lieber gewesen wäre, Korrekturen statt eines Buches zu veröffentlichen. Noch einmal wird man Zeuge der seltsamen Begegnung zwischen Carl Schmitt und Walter Benjamin, und der Grandseigneur der Oper, Marcel Prawy, wird anhand einer Randnotiz überführt: Er wusste, was er tat, als er Richard Wagners Antisemitismus geflissentlich überging. Beklemmend ist die Schilderung der Lektüreeindrücke von Peter Weiss während der Arbeit an seinem Theaterstück ›Die Ermittlung‹. Das mit großer Sorgfalt hergestellte und vorzüglich gedruckte Bildmaterial des Katalogs lässt den Leser hier erahnen, was Weiss empfunden haben muss. Seine Anstreichungen in H. G. Adlers Auschwitz-Buch sind hilflose Zeichen der Verstörung und Fassungslosigkeit. Der letzte Abschnitt der Wiener Spurensuche reiht verschiedene objets trouvés aneinander: Heinrich Heines Eselsohren sind darunter, die Initialen »S. G.«, die Hofmannsthal, den Meister George bezeichnend, neben einen Halbsatz in Kuhs Hebbel-Biografie setzt, Berthold Viertels berechtigte Verbesserungswut in der Übersetzung eines Stücks von Bernard Shaw, die Anmerkungen Tucholskys in Steputats Reimlexikon oder die bestechende Analyse der Striche und einiger Anmerkungen in Inge Jens’ Gottfried-Benn-Ausgabe. Thomas Bernhard zitierte Montaigne aus einem Band von ›rowohlts monographien‹, während die Lesespuren bei Thomas Kling die harte und ernsthafte Arbeit am Material bezeugen. […]

Johann Georg Lughofer
kolik. Zeitschrift für Literatur, Nr. 57/2012, S. 144-147:

Marcel Atze […] liefert in seiner Einleitung eine umfassende Übersicht über Geschichte, Fragestellungen und Bedeutung von annotierten Buchexemplaren. […]
Im Vergleich zu [den] in der Einleitung angeführten großen Namen und faszinierenden Beispielen mögen dann manche Beiträge in ihrer geringeren Bedeutung enttäuschen, doch gerade in der Konzentration auf lokale Ressourcen – insbesondere auf die Wienbibliothek und das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek – ist ein Vorteil des Bands zu sehen, der so auf verborgene, doch nahe Schätze aufmerksam macht.
Ein weiteres Plus ist das offene, breite Spektrum: Nicht nur Literaturwissenschaftern wird hier eine Stimme gegeben, sondern auch den PraktikerInnen, darunter nicht nur ein Antiquar und ein Literaturkritiker: „Zum Geleit“ sowie in „Bekenntnissen“ äußern AutorInnen wie Clemens J. Setz, Barbara Frischmuth, Walter Grond und Peter Rosei ihre Meinungen zum Thema, präsentieren ihre Lektüregewohnheiten, gewähren einen Blick in ihre Bibliothek und erläutern ihr Zeichensystem, mit dem sie Bücher markieren. Dabei wird selbst der – jeden Buchliebhaber betreffenden – subjektiven Debatte Raum gelassen, was man mit Büchern eigentlich anstellen darf. Der mitunter historische Blick des Bands kann dabei neue Perspektiven eröffnen: Der Dichter und Begründer der deutschen Orientalistik Friedrich Rückert hat gar seine Bücher als Fensterkeil und Kinderspielzeug zur Verfügung gestellt. Bis ins 20. Jahrhundert blieb es üblich, in Büchern zur Bearbeitung eventuell mehrere leere Blätter zwischen den Originalseiten einlegen, also „durchschießen“, zu lassen. Ebenso wurden früher extra breitrandige Exemplare gefertigt, um den Lesenden Raum für Notizen zu ermöglichen. Der Kult der jungfräulich reinen, als unmarkierten Bücher scheint – so Ulrich Simon im Band – also ein neuartiges Phänomen zu sein, was im Zusammenhang mit einer konsumistischen Aufwertung der Materialität gegenüber dem Inhalt des Buches stehen dürfte.
In den Kapiteln „Ein kulturhistorisches Panorama“ sowie „Spurenlesen – Unter der Lupe“ wird ein breites Spektrum an verschiedensten annotierten Werken in Details und Kontexten besprochen. […] Von den Korrekturen und Ergänzungen, die Leser des 16. Jahrhunderts mit liebevoll gezeichneter Zeigehand und Knubbelstab in einem lateinischen Bädertraktat einfügte, bis zu aktuellen antisemitischen Schmierereien in einem Innsbrucker Bibliotheksexemplar; von Anmerkungen bei Übersetzungstätigkeiten bis zu Arbeitsexemplaren aus der Theaterpraxis wie den Regiebüchern Max Reinhardts.
Herauszuheben ist Reinhard Buchbergers detailreiche Präsentation eines Zensurversuchs, ein österreichisches im Geist des Austrofaschismus verfasstes Schul-Lesebuch (des ehemals sozialdemokratischen Verlags Jugend & Volk!) nach dem „Anschluss“ 1938 politisch umzufärben. Wenn auch viele der handschriftlichen Eingriffe nicht wirklich überraschend sind (Änderung von „österreichisch“ in „deutsch“, von „Schilling“ in „Mark“, Streichung von jüdischen Verfassern, Tilgung von objektiven Editionsschwächen der Erstausgabe etc.), so kann Buchberger aufgrund der Belassungen der Austriazismen und der Bilder österreichischer Trachten sowie religiöser Elemente (Engel und Tischgebet) auf einen interessanten Horizont des Zensors schließen, wenn es dann auch zu keiner Neuauflage kam.
Genauso gehaltvoll ist Jürgen Thalers Darstellung der äußerst genauen Benjamin-Lektüre Carl Schmitts und dessen Kontext: Schmitt versuchte, seinen Platz im Denken Benjamins zu markieren, da dieser von Adorno in der von ihm besorgten Werkausgabe getilgt wurde. Diese „unheimliche Nähe“ und „gefährliche Beziehung“, so Benjamin-Interpreten, wollte der alternde Staatsrechtler nutzen, um seiner akademischen Isolation nach 1945 entgegenzuwirken, wie Thaler zeigt. […]
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass der ansehnliche und opulente Band für jeden Buchliebhaber zu empfehlen ist. Er ist eine kurzweilige und diverse Einführung in eine allzu vernachlässigte, aber bedeutende Themenstellung. Obwohl er sich nicht nur an eine kulturwissenschaftliche Leserschaft richtet, macht er an Beispielen deutlich, in welchen verschiedenen Weisen die Lesespuren in Hand-, Lese- und Arbeitsexemplaren aufschlussreich für kultur- und literaturwissenschaftliche Herangehensweisen sein können. Dabei zeigt sich, wie historische Gebrauchsformen von Büchern, zeitgeschichtliche Kontexte, Verlagsgeschichten, rezeptionsgeschichtliche Perspektiven, intertextuelle Bezüge sowie Entstehungsprozesse von Texten anhand annotierter Bücher erhellt werden können. Dies ist von großem Belang, weil zwar im deutschsprachigen Raum das Interesse an diesen Aspekten vorhanden ist, doch die spezifische Marginalienforschung noch in den Kinderschuhen steckt.

Zu Sichtungen 10./11. Jahrgang

Jens Klenner (Princeton University)
Modern Austrian Literature, Vol. 43, Nr. 4/2010, S. 104-106:

The book is divided into six sections containing twenty-four essays and a rich appendix of documents and primary sources. The essays are too numerous and rich to give adequate mention to each (...) All, however, can be recommended without reservation. (...)
The volume will be of interest not only to those who work on archival studies but also to anyone working on twentieth-century German-language fiction and culture.

Zu Sichtungen 8./9. Jahrgang

Evelyne Polt-Heinzl
Fachbuchrezensionen, http://www.literaturhaus.at/buch/fachbuch/rez/Sichtungen/ [Stand 12.10.2007], vom 9.2.2007:

Das literarhistorische Interesse an jeder Form von Zusatzinformation ist groß, der Genuss beim immer auch ein wenig voyeuristischen Geschäft auch, und im Idealfall werden daraus tatsächlich überraschende Erkenntnisse über Leben und Werk von Autoren gewonnen. Ein spektakulärer "Fall" ist dem Band "Zum Geleit" vorangestellt. Eine briefliche Auseinandersetzung zwischen Alexander Moritz Frey und Hermann Hesse, die sich an einem Hesse dedizierten Werk Freys entzündet, das dieser in einem Antiquariat wiederfand, entpuppt sich hier als Schlüssel zur Rekonstruktion von Alexander Moritz Freys schwierigen Exiljahren in der Schweiz. (...)
Auf gut 300 Seiten entsteht (...) ein wahres Feuerwerk an Beiträgen mit Fallbeispielen, von denen viele - häufig sind die Verfasser die jahrelangen Nachlassverwalter oder -bearbeiter - aus der Petitesse der Widmung kleine Fundstücke für die Forschung entwickeln. Das Spektrum der behandelten AutorInnen könnte breiter nicht gesteckt sein, und wenn man den Band kontinuierlich durchliest, ist man kaum je versucht, einen Beitrag zu überblättern.

P.P.
Kurier vom 15.2.2007:

Ein Buch über Widmungen in Büchern. In dieses Thema kann man sich vertiefen - wenn es derart gut aufbereitet ist wie in diesem Fall.

Hermann Schlösser
Wiener Zeitung vom 3.8.2007:

Seit jeher werden Dichtern handschriftliche Widmungen abverlangt, sodass sich im Lauf der Zeit eine Kultur des Widmens herausgebildet hat. Der Band "Aus meiner Hand dies Buch", im Österreichischen Literaturarchiv entstanden, ist dieser Kultur auf der Spur. In einer Reihe von Aufsätzen wird dargestellt, wer wem mit welchen Gedanken (und Hintergedanken) Bücher gewidmet hat. Zahlreiche Faksimiles von Widmungen berühmter Autoren ergänzen die wissenschaftlichen Studien aufs Schönste. So gibt der Band Aufschlüsse über ein Phänomen, das ein bedenkenswertes Eigenleben im Grenzgebiet von Öffentlichkeit und Privatheit führt. Schön und belehrend.

Jdl. [Paul Jandl]
Neue Zürcher Zeitung vom 13.08.2007:

Enger hätte man den Kreis nicht fassen können und zugleich auch nicht weiter: "(Für den, den's angeht)" schreibt Peter Handke auf sein Journal "Das Gewicht der Welt". Gewidmet ist das Buch damit der Empathie des unbekannten Lesers und nicht nur, wie bei Günter Grass, einer "Ute, die es mit F. hat ...". "Ein weites Feld" heisst der von Grass solcherart zugeeignete Roman, und ein weites Feld ist auch das Phänomen der Widmung, dem das Österreichische Literaturarchiv einen vorzüglichen und auch optisch ganz ausgezeichnet gemachten Band widmet. "Aus meiner Hand dies Buch ..." heisst das opulente Werk, das unter diesem Zitat Thomas Manns kurze Texte in schöner Ausführlichkeit behandelt. Interessant sind für das Buch vor allem die handschriftlichen Zueignungen. Dazu gibt es neben konzisen Aufsätzen eine kommentierte "Galerie der Widmungen" und Selbstauskünfte von Schriftstellern.

Carsten Wurm
Marginalien, 188. Heft, 4, 2007:

Bei der Präsenz des Themas im literarischen Leben und auf dem antiquarischen Buchmarkt ist es geradezu verwunderlich, daß bislang kaum jemand dem Phänomen Widmung wissenschaftliche Aufmerksamkeit zuteil werden ließ. Die drei Herausgeber des vorliegenden Jahrbuches haben nun im Auftrag des Österreichischen Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek und der Wienbibliothek im Rathaus gleich eine komplexe Untersuchung vorgelegt. Sie fassen den Gegenstand denkbar breit: In dem Sammelband finden sich Beiträge zu gedruckten, handschriftlichen und sogenannten "privaten" Widmungen. Das Thema wird historisch, theoretisch und durch viele Fallbeispiele umkreist. Die Konzentration liegt auf der deutschsprachigen Literatur vor der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Die Autoren sind zumeist Literaturwissenschaftler, Bibliothekare und Archivare, die sich über Widmungsexemplare im öffentlichen Besitz beugen. Einige haben auch ihren eigenen Bücherschrank durchforstet oder bekennen sich gar zu der schönen Leidenschaft. Eine zusätzliche Dimension erhält das Buch durch Stimmen von meist zeitgenössischen Schriftstellern (Alfred Polgar, Franzobel, Friederike Mayröcker, Peter Rühmkorf und anderen), die vom geteilten Echo zeugen, die die Jagd nach Widmungsexemplaren und die Sitte des Schenkens von Büchern mit Widmung unter ihnen hervorruft.

Sarah Khan
Süddeutsche Zeitung, Nr. 104, 5./6. Mai 2012, S. V2/7:

[…] Widmungsforschung (besonders hervor tat sich auf diesem Feld die österreichische Zeitschrift Sichtungen mit einem Themenschwerpunkt „Zum Phänomen der Widmung“, 2006, leider vergriffen. […]

Zu Sichtungen 1. Jahrgang

Ulrike Diethardt
Literaturhaus Wien [buchmagazin online] vom 15.12.1998:

Mit dem "Internationalen Jahrbuch" des Literaturarchivs ist ein Schritt in Richtung Debatte und Kooperation getan, nicht zuletzt dadurch, daß es das eigene Selbstverständnis offenlegt und damit auch zur Diskussion stellt: dem Archiv geht es nicht um das Anhäufen und Bewahren eifersüchtig gehüteter Schätze, sondern um die aktive Teilnahme am Kulturgeschehen, wie es die hier dokumentierten Veranstaltungen und Publikationen rund um die Ausstellung zu Peter Hammerschlag ebenso zeigen wie die Berichte über Forschungsprojekte des Archivs, die sich den Möglichkeiten österreichweiter und internationaler Vernetzung widmen.

Ralf Georg Bogner
Zeitschrift für Germanistik, Neue Folge 2 - 1999:

Neuen germanistischen Fachzeitschriften grundsätzlich mit Skepsis zu begegnen, ist weder unbegründet noch ungerecht. Die Zahl einschlägiger Periodica wächst von Jahr zu Jahr bis hin zur Unüberschaubarkeit, ihre Verfügbarkeit in öffentlichen wissenschaftlichen Bibliotheken verringert sich hingegen aufgrund der drastischen Sparmaßnahmen in den Bildungs- und Forschungshaushalten in noch größerem Maße, und häufig erscheint die Einrichtung eines neuen Publikationsorgans nicht eben durch die Qualität der dort abgedruckten Beiträge gerechtfertigt. Im Fall des vorliegenden 1. Bandes des "Jahrbuchs des Österreichischen Literaturarchivs" freilich - dies sei vorweggenommen - werden Vorurteile gegen neue Fachzeitschriften nicht nur nicht bestätigt, sondern sogar gründlich widerlegt. (...)
Das Konzept der Sichtungen besticht, dies zeigt sich vor allem durch seinen ,von einem sorgfältigen Personenregister noch erhöhten, großen Informationswert und hebt sich damit zugleich deutlich von manchen anderen neueren germanistischen Publikationsorganen ab. Die Fülle an Mitteilungen über die Nachlässe österreichischer Autorinnen und Autoren machen diese Zeitschrift zu einem unentbehrlichen, Jahr für Jahr aktualisierten Nachschlagewerk für eine nicht nur am gedruckten Kanon, sondern auch an der Textgenese und an handschriftlich überlieferten Texten aus dem Gebiet der literarischen Gebrauchsformen sowie an weniger bekannten oder weitgehend vergessenen Schriftstellern orientierte literaturwissenschaftliche Forschung.


last update 03.02.2013