Die Bisherige Nachlassaufarbeitung im provisorischen Bernhard-Archiv in Gmunden
Nach dem Tod Thomas Bernhards 1989 wurde sein Nachlaß vom Bruder und Erben Peter Fabjan an einem Ort zusammengetragen und
gesichert. Er fand sich verstreut in den verschiedenen Wohnungen und Häusern Bernhards, zum Großteil in der Wiener Wohnung
in der Döblinger Obkirchergasse (der Wohnung Hedwig Stavianiceks) und in Bernhards Hof in Nathal. Die Materialien waren in
diversen Schubladen und Schachteln gelagert, eine übergreifende Ordnung lag nicht vor.
Seit April 1999 bearbeitet der Berichterstatter den Nachlaß im provisorischen Archiv in Bernhards Gmundner Wohnung. In einem
ersten Schritt wurde der Nachlaß gesichtet und eine detaillierte Liste erstellt, wobei die vorgefundene Lage vorerst beibehalten
und durch eine Numerierung auch für später folgende Arbeitsgänge dokumentiert wurde. Zwar geht die derzeitige Ordnung insgesamt
nicht auf Bernhard zurück, doch haben sich offenbar innerhalb einzelner Stapel oder Konvolute Binnenordnungen erhalten, die
für die genaue Zuordnung und Erschließung von Bedeutung sein werden.
Als besonders zeitaufwendig erwies sich dabei die für eine Tiefenerschließung des Nachlasses unabdingbare Auflösung von umfangreichen,
verschiedene Materialien enthaltenden Konvoluten. Diese wurde vorerst soweit vorgenommen, wie dies bei einer ersten Untersuchung
der Texte möglich war; ein als »Unidentifiziertes« bzw. »Verstreutes« gekennzeichneter Rest muß einer Detailprüfung vorbehalten
bleiben. Durch die Befund-Dokumentation lassen sich jedenfalls Ansatzpunkte für die exakte Zuordnung finden.
Des weiteren konnte der wesentliche Teil der Korrespondenzen, die sich ursprünglich nicht im provisorischen Archiv in Gmunden,
sondern im von der Schwester Thomas Bernhards Susanne Kuhn betreuten Privatarchiv der Familie in Großgmain befand, übernommen
werden, insbesondere die Verlags- und Theaterkorrespondenzen. Ihre Bedeutung für die Erforschung der Textgenese und Werkchronologie,
aber natürlich auch für die Interpretation seines Werkes und die Biographie Thomas Bernhards kann wohl nicht hoch genug eingeschätzt
werden.
In einem weiteren Schritt wurde nach den den »Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen« (RNA) vorangestellten
DFG-»Rahmenrichtlinien« jene Systematik erstellt, nach der der Nachlaß im künftigen Bernhard-Archiv geordnet werden wird.
Grundlage für die Katalogisierung bilden die RNA. Durch eine Verknüpfungsliste lassen sich dabei jederzeit die ursprüngliche
Fundlage rekonstruieren und eventuell strittige Zuordnungen auch nachträglich überprüfen.
Bis zum Abschluß der Aufarbeitung und der Einrichtung des geplanten Bernhard-Archivs kann das provisorische Archiv schon aus
Raumgründen nicht öffentlich zugänglich sein; es gilt vorerst eine provisorische Benutzungsordnung. Diese sieht – kurz zusammengefaßt
– vor, daß forschungsgeleitete Anfragen schriftlich über die Bernhard-Privatstiftung an den Berichterstatter gerichtet werden
können.
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