Beitrag für das Projekt KolloquiA - Forschungs- und Lehrmaterialien zur frauenrelevanten und feministischen Dokumentations- und Informationsarbeit in Österreich, Projektleitung: Helga Klösch-Melliwa, gefördert vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Nr. 6816), vom BM für Wissenschaft und Verkehr und vom BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales
Publiziert in: Klösch-Melliwa, Helga et al.: kolloquiA. Frauenbezogene/feministische Dokumentation und Informationsarbeit in Österreich. Lehr- und Forschungsmaterialien. Hrsg. von frida. Wien 2001 (=Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 11); S. 207 - 226
Einführung
"Bei dem Bemühen, die im Druckvermerk vorkommenden Frauen der Vergangenheit nicht nur dem Namen nach festzustellen, stößt man auf vielerlei Hindernisse. Kann schon von einer systematischen Erfassung aller in den Kolophonen angegebenen Frauen keine Rede sein, aus Mangel an sämtliche Druckwerke aller Jahrhunderte verzeichnenden Bibliographien, so wären, damit die in Frage kommenden Frauen zu lebendigen Persönlichkeiten würden, die Archive von Nachrichten über sie zu durchsuchen, schon vorhandene Biographien ihrer Vorgänger oder Nachfolger oder deren Akten aufzustöbern, Berichte, Briefe, Lebensbeschreibungen von Zeitgenossen heranzuziehen."
Annemarie MEINER (1933: 335) umschreibt in einem frühen Aufsatz die Schwierigkeiten und Mühen, mit denen man sich bei der Beschäftigung mit dem Thema "Frauen im Buchdruck" konfrontiert sieht. Diese Schwierigkeiten dürften - zumindest im deutschsprachigen Raum - die Forschungslage noch immer kennzeichnen: die frauenspezifischen Beiträge zum Thema halten sich in äußerst begrenztem Rahmen, das spärlich vorhandene Forschungsmaterial zur Druckerinnen-Geschichte kann zum Großteil als "Nebenprodukt" allgemeiner oder spezieller Nachforschungen zur Geschichte des Buchdrucks betrachtet werden.
Eine löbliche Ausnahme - und auch eine Vorbildfunktion - stellt hier der angelsächsische Raum dar: Frauengeschichte hat sich als einer der Schwerpunkte feministischer Forschung infolge der Neuen Frauenbewegung an den amerikanischen und britischen Universitäten etabliert, und so sind dort auch zum Thema "Frauen und Buchgeschichte" eine Vielzahl detailliert recherchierter Beiträge nachzuweisen (LENKEY 1975; BARLOW 1976; HUDAK 1978; DEMETER 1979; CADMAN et al. 1981; SOWERWINE 1983; HUNT 1983; CAVE 1988; LENT 1988; BEECH HIBBARD 1983, 1985 u. 1989; REYNOLDS 1989; FORD 1990; BELLAS 1991; YAX 1992; BREGER 1993; LEVENSON 1994; PARKER 1996; RUMBLE 1998).
Es scheint auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Berufung für Frauen zu sein, an einem Metier teilzuhaben, das auch als "schwarze Kunst" bezeichnet wird. Trotzdem finden sich Frauenspuren vom Beginn an: Frauen waren seit der Erfindung des Druckes mit beweglichen Lettern durch Gutenberg an der Ausübung dieses neuen Gewerbes beteiligt. Meist halfen sie als Ehefrauen, Schwestern, Töchter im Betrieb ihrer Männer, Brüder, Väter mit. Aus dem Schatten der Männer traten sie jedoch nur heraus, wenn sie diese überlebten und in Form der sogenannten "Witwenfortbetriebe" die Druckerei für kürzere oder auch längere Zeit weiterführten. Erst dann tauchten sie im Impressum (Kolophon) auf - bekamen einen Namen und damit historische Präsenz. Frauen waren zwar damals von einer regulären professionellen Ausbildung und damit einem eigenständigen Zugang zu einem Handwerk ausgeschlossen, trotzdem wurde von den zukünftigen Handwerksfrauen erwartet, daß sie lesen, schreiben und rechnen konnten, um die schriftlichen Angelegenheiten und die Eintreibung der Schulden übernehmen zu können.
"Erst als Witwen erhielten Handwerkerfrauen das Recht der Betriebsführung, teilweise für einen kurzen Zeitraum, teilweise bis ein Sohn den Betrieb übernehmen konnte. Diese Regelung war nicht unumstritten, besaß aber gleichwohl vielerorts Gültigkeit, da es um die Versorgung der Witwe wie um die Erziehung der Kinder ging, die andernfalls der städtischen Armenversorgung zur Last gefallen wären. Für die Frauen von Handwerkern und Kaufleuten gab es also bedeutende Handlungsspielräume während der Zeit ihrer Ehe wie als Witwe" (GESCHICHTE DER FRAUEN 1994: 547).
Ihre traditionelle Rolle im patriarchal geprägten Familienbetrieb erfüllten Frauen durch Jahrhunderte hindurch, bis hinauf ins 19. Jahrhundert. Dann wurde auch das durch strenge Zunftregeln geprägte Buchdruckergewerbe mit der aufkommenden industriellen Revolution und ihren technologischen Innovationen konfrontiert. Die Erfindung neuer Maschinen (zuerst im Druckbereich, später im Satz), die damit möglich gewordene Massenproduktion und der Bedarf an billigen Arbeitskräften hatte große gesellschaftliche Auswirkungen und machte - oft schmerzhafte - Neuorientierungen im Ge-schlechterverhältnis notwendig. Frauen drängten nun ebenso wie Männer als Lohnar-beiterinnen in die neu entstandenen Industriezweige und begegneten dort - wie wir noch sehen werden - einer geballten Abwehr der traditionell männerbündisch organisierten Kollegenschaft.
Aber gehen wir zunächst zurück zu den Anfängen (wobei ich in diesem Abschnitt weitgehend den Ausführungen von DRIVER [1998: 142 ff.] folge). Frauen waren bereits vor Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts als Schreiberinnen tätig.
Zwei Beispiele aus dem deutschen Sprachraum sind Margaretha Karthauserin im Dominikanerinnen-Konvent in Nürnberg und Clara Hätzerlin in Augsburg, die sich im Rahmen des väterlichen bzw. brüderlichen Notariatsbetriebs betätigte. Frauen stellten sich aber auch auf die neue Buchdruckkunst um und erwarben sich bereits in deren Frühphase (der Zeit der Inkunabeln bzw. Frühdrucke bis ca. 1550) Verdienste. Nonnen von San Jacobus Ripoli in Florenz, die zuvor als Skriptorinnen tätig waren, machten sich an den Entwurf von Schrifttypen und druckten bereits 1476 einen italienischen Donatus, einen spätantiken Grammatiker, dessen Werk "Ars minor" als Schulgrammatik im Mittelalter weite Verbreitung fand; neben religiösen Werken sind sie auch für eine Ausgabe von Boccaccios "Decamerone" aus dem Jahr 1483 verantwortlich. Estellina Conat aus Mantua erwähnt in einem vor 1480 gedruckten hebräischen Buch, daß sie für den Schriftsatz mitverantwortlich war. Eine Kopie des "Sachsenspiegels", der mit 22. Juni 1484 datiert ist, erwähnt die Augsburger Witwe Anna Rügerin im Kolophon ("Gedruckt und volendt von Anna Rügerin in der keyserlichen stat Augspurg"). Beatrice van Orroir, Witwe des Druckers Arend de Keyser druckte um 1490 in Gent. Die Witwe von Jehan Trepperel in Paris brachte alleine bzw. mit ihrem Schwiegersohn 121 Bücher im späten 15. bzw. frühen 16. Jahrhundert heraus; eines ihrer populärsten Werke war "L'Epitre d'Othéa" von Christine de Pisan. Yolande Bonhomme, die Witwe des Druckers Thielmann Kerver und Tochter von Pasquier Bonhomme, der einer der offiziell an der Sorbonne akkreditierten Buchhändler war, druckte einige der schönsten Stundenbücher ihrer Zeit und wahrscheinlich die erste von einer Frau gedruckte Bibelausgabe. Die ebenfalls in Paris lebende Charlotte Guillard überlebte - was keine Seltenheit war - zwei Ehemänner (Berthold Rembolt und Claude Chevallon) und druckte in ihrer zweiten Witwenschaft 158 Titel, was einem jährlichen Durchschnitt von 8 Büchern entsprach. Auch Madeleine Boursette arbeitete zunächst zusammen mit ihrem Mann (François Regnault), führte nach seinem Tod die Druckerei über 15 Jahre weiter und vererbte sie schließlich an ihre Tochter Barbe Regnault, die auch Witwe eines Druckers war. Die matrilineare Erbfolge war - wie noch zu sehen sein wird - zur Sicherung des Fortbestandes des Betriebes bei mangelnder männlicher Nachfolge gerade im Druckereigewerbe keine Seltenheit. Elizabeth Pickering war die erste druckende Frau in England. Sie war Witwe von Robert Redman, der einer der Nachfolger William Caxtons war, und begann nachweislich bereits zu Lebzeiten ihres Mannes mit dem Druck von Büchern und setzte dieses Gewerbe bis zu ihrer Wiederverheiratung fort. Ihr Selbstbewußtsein drückte sie durch die Verwendung einer eigenen Druckermarke aus.
Dieser kurze Abriß aus den Anfängen des Buchdrucks zeigt deutlich die strukturellen Gegebenheiten, in denen Frauen sich bewegten: Frauen lernten das Gewerbe in allen seinen Facetten (Auswahl der Titel, Typensatz, Druckerpresse, Illustration und Lektorat) entweder bereits im väterlichen Betrieb oder im Betrieb ihres späteren Mannes kennen und halfen - soweit es ihre sonstigen familiären Verpflichtungen erlaubten - weitgehend praktisch mit. Nur so konnten sie sich die notwendigen Kenntnisse erwerben, um auch nach dem Tod ihres Mannes den Betrieb erfolgreich fortzusetzen. "Wie weit aber die handwerkliche Ausbildung der Frauen jener Zeit ging, ist schwer nachzuweisen" stellt E. GECK im "Lexikon des gesamten Buchwesens" (Band III: 40) fest.
Buchdruckerinnen in Österreich
Der "Katalog der historischen Ausstellung von Wiener Buchdruck-Erzeugnissen 1482-1882" (HAAS 1882) führt vor über hundert Jahren für Wien im behandelten Zeitraum nur 19 Druckerinnen an. In der zweibändigen Buchdrucker-Geschichte Wiens aus den Jahren 1883 bzw. 1887 von Anton MAYER (1883 und 1887) werden bereits 43 Druckerinnen für denselben Zeitraum erwähnt. Hundert Jahre später nennen Anton DURSTMÜLLER in "500 Jahre Druck in Österreich" (1982) allein für den Zeitraum 1482 bis 1848 ca. 60 Druckerinnen und Helmut W. LANG (1972) in seiner österreichischen Buchdruckergeschichte vom 15. bis zum 17. Jahrhundert insgesamt ca. 50 Druckerinnen.
Eine kleine "statistische" Auswertung von Anton MAYERs (1883 und 1887) Zahlen zeigt, daß der Anteil der genannten Frauen im Druckergewerbe vor allem im 19. Jahrhundert gegenüber den genannten Männern drastisch abnahm: in den Jahren 1782 bis 1882 kommen nur mehr 20 Frauen auf insgesamt 110 Drucker, 1582 bis 1682 waren es noch 9 Frauen von insgesamt 40, 1682 bis 1782 noch 10 von insgesamt 45. Dieses Phänomen könnte mit dem Aufkommen der bürgerlichen Gesellschaft und ihren neuen Werten erklärt werden, als deren einer galt: die Frauen haben in der (in diesem Fall: beruflichen) Öffentlichkeit nichts zu suchen, sie sind für die Reproduktionsarbeit in Haus und Familie zuständig. Daß diese Verdrängung der Frauen aus dem Arbeitspro-zeß in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die industrielle Revolution und den damit verbundenen Bedarf an (auch weiblichen) Arbeitskräften wieder rückgängig gemacht wurde, werden wir noch sehen.
Literaturrecherchen zeigen, daß es auf dem Gebiete des Buchdrucks in Österreich in den letzten hundert Jahren eine intensive Forschungstätigkeit gab, bei der auch eine nicht unbeträchtliche Zahl an Frauen dem Vergessen entrissen wurden. Trotzdem muß betont werden, daß es bis dato keine einzige wissenschaftliche Arbeit gibt, die sich speziell der weiblichen Seite der österreichischen Druckgeschichte widmet - und zwar weder in Einzeldarstellungen noch in Gesamtüberblicken. Es war nur ein einziger Aufsatz über eine Druckerin ausfindig zu machen (KLEIN 1957), und erst vor kurzem erschien ein Aufsatz von Edith STUMPF-FISCHER (1999) über Frauen im österreichischen Buch- und Bibliothekswesen.
Als älteste erwähnte Druckerin in Wien wird Barbara Adler angeführt, die um die Mitte des 16. Jahrhunderts (die Jahresangaben schwanken zwischen 1552 und 1555) als Witwe des Ägidius Adler (Aquila) aus Gent den Betrieb ihres Mannes übernahm, jedoch bald einen ihrer vier Gesellen, Michael Zimmermann, heiratete (DURSTMÜLLER 1982: 49).
Fast gleichzeitig wird in Salzburg eine Druckerin genannt, über die etwas mehr historisches Material zusammengetragen werden konnte, deren Identität bislang jedoch nicht vollends erforscht ist: Susanna Raidl, geb. Fürst, die Witwe des 1526 verstorbenen Peter Raidl, druckte nachweislich eine Herrscherliste mit einer Holzschnit-tansicht von Salzburg, die nur bruchstückhaft erhalten ist (im Druckvermerk heißt es: "Truckts in der Ertzbischöflichen statt Salzburg Hans Baumann / In Costung Susana Raidlin burgerin daselbst 1553"). Aus anderen Akten (Nachlaß Hans Goldeisen, 1551-1562 in erzbischöflichen Diensten) geht hervor, daß derselben Raidlin im April 1554 dafür, "das sy in der Puechtruckherey zuegeholfen hat" ein Geldbetrag ausbezahlt wurde. Daraus schließt Herbert KLEIN: "Anzunehmen, daß sie eine richtige Buchdruckergesellin war, wäre bei der Strenge der geltenden Zunftgesetze gewiß abwegig. Immerhin kann man annehmen, daß sie als Dilettantin bei Baumann die Schwarze Kunst erlernt hat, sodaß sie auch als bezahlte Hilfskraft einspringen konnte" (1957: 72). Hans Baumann stammt aus Rothenburg an der Tauber und gilt übrigens als frühester nach-weisbarer Drucker in Salzburg. Im Jahre 1565 wurde eine zweite - allerdings formal verschiedene - Holzschnittansicht von Salzburg gedruckt mit dem Vermerk: "GEDRUCKT ZU SALTZBURG IN COSTU(n)G SUS (...)LEXLIN BURGERI(n) DAS(selbst) 1565". Das einzige bekannte Exemplar dieser zweiten Ansicht befand sich bis 1945 im Besitz des Stiftes St. Peter und ist nach dem Einzug der Amerikaner aus dem Salzbergwerk Dürrnberg verschwunden, weiß GLASER (1958: 151) zu berichten. Susanna Raidl müßte sich also (nach Hans Baumanns Weggang von Salzburg 1561/62) noch einmal verheiratet haben und als Susanne Lexlin dessen Druckerei weitergeführt haben, wofür es allerdings bislang keinen gesicherten Nachweis gibt.
Ein anderes Beispiel weiblicher Beteiligung am Buchdruck stellt Maria Elisabeth Hübschlin dar. Sie heiratete nach dem Tod ihres Mannes, der aus Vorarlberg nach Wiener Neustadt zugewandert war, den Buchdrucker Johann Matthäus Kny, der die Druckerei bis zu seinem Tod 1697 weiterführte. Vermutlich übernahm 1698 Johann Baptist Hübschlin, der Sohn des Johann Hübschlin, die väterliche Druckerei und eröffnete 1712 auch in Eisenstadt eine Druckerei, starb aber 1913. Diese Druckerei wurde - bevor sie nach Wiener Neustadt zurückgebracht wurde - zumindest für einige Monate von Maria Elisabeth betrieben, wie ein Einblattdruck - ein Bruderschaftszettel der Franziskaner von Eisenstadt - aus dem Jahr 1713 beweist. Darin heißt es nämlich im Impressum: "Schloß-Eysenstadt / Gedruckt bey Maria E-/lisabeda Hübschlin Wit-/tib/Ihre Hoch-Fürst. / Durchleicht Hof-/Buchdruckerin" (SEMMELWEIS 1972).
Auch in der Druckerfamilie Cosmerovius spielten Frauen eine bedeutende Rolle, ja es kann hier - mangels männlicher Nachkommen - sogar der Versuch einer matrilinearen Geschäftsweitergabe beobachtet werden. Nach dem Tod Matthäus Formicas ging der Betrieb 1639 an dessen Witwe Maria über (unter ihrem Impressum erscheint das be-merkenswerte "Pollhaimerische Bad-Buch", eine der frühesten Darstellungen des Bades Deutsch-Altenburg, verfaßt vom Leibarzt Kaiser Leopolds I., Johann Wilhelm Mannagetta) (DURSTMÜLLER 1982: 99). 1640 heiratete sie den mit einer bescheidenen Offizin soeben aus Polen nach Wien gekommenen Stanislaus Matthäus Cosmerov. Schon im Jahr darauf wird er als Universitätsbuchdrucker ausgewiesen - was nicht zuletzt auch der Tüchtigkeit seiner Frau zuzurechnen sein dürfte. Maria Cosmerovius-Formica stirbt bereits 1643.
Matthäus heiratet ein zweites Mal: Susanna Christina, geb. Saher, aus einer wohlhabenden Wiener Bürgerfamilie stammend, die mit Zähigkeit und Durchsetzungsvermögen nach dem Tod ihres Mannes 1674 das Geschäft für ihren minderjährigen Sohn rettete: "[Sie] nahm in dem Jurisdictionsstreite, der sich über die Abhandlung zwischen Universität und Stadtrath entsponnen hatte, ihre Interessen energisch wahr und führte durch ein wohlmotiviertes Hofgesuch auch die für sie günstige Entscheidung der Regierung herbei, wonach sie so lange von beiden Behörden unbehelligt bleiben sollte, bis zwischen ihnen der Conflict entschieden wäre" (MAYER 1887: 6 ff.). 1686 übernahm sie auf Grund des frühen Todes ihres Sohnes Johann Christoph und dessen Frau Theresia die Druckerei, erhielt ein kaiserliches Privilegium und leitete sie bis zu ihrem Tod 1702 weiter.
Zunächst war die Enkelin Anna Maria Slaby Miteigentümerin, aber auch sie starb vor der Großmutter. Susanna Christina, die schon mehrmals von kaiserlicher Gnade profitiert hatte, konnte aufgrund einer erneuten Gunstbezeugung Kaiser Leopolds I. erreichen, daß alle Privilegien und Freiheiten auf ihre Urenkelin Anna Maria Slaby übertragen wurden, und setzte kurz vor ihrem Tod sie und ihren Vater (Reg. Rat Dr. Josef F. Slaby) als Erben ein. Leider ging Susanna Cosmerovius' Traum, das Geschäft ihres verstorbenen Mannes der Familie zu erhalten, nicht in Erfüllung: 1715 wurde es an Johann Baptist Alexander Schönwetter verkauft.
Maria Eva Lercher, geb. Tremlin, stellt ein typisches Beispiel dafür dar, daß eine Frau drei Männer überlebte (allesamt Buchdrucker) und es fertigbrachte, durch ihre Kenntnisse nicht nur den Betrieb interimistisch zu leiten, sondern ihn - nach dem Tod ihres dritten Mannes - über lange Jahre allein weiterzuführen. Nach dem Tod ihres Mannes Christoph Lercher (der aus Innsbruck stammte und 1687 mit einer Presse in Wien zu drucken begann) heiratete sie 1713 den Buchdrucker Simon Schmid, der jedoch auch bereits 1718 starb, und nach zwei weiteren Jahren ihren Gesellen Johann Baptist Schilg(en), der 1743 starb. Von 1743 an führte die geschäftstüchtige Frau, die neben ihrer Mitarbeit in der Druckerei noch Papier- und Weingeschäfte betrieb, den Betrieb (als allgemein geachtete Landschafts- und Universitätsdruckerei) bis 1759 - also 16 Jahre lang - allein weiter. 1751 kaufte die umsichtige Frau die Schönwettersche Drukckerei und übergab sie ihrer Tochter aus erster Ehe, Maria Susanna, die den Faktor des mütterlichen Betriebes, Johann Jakob Jahn, geheiratet hatte. Bei ihrem Tod hinterließ die 77jährige Schilgin ein ansehnliches Vermögen und stiftete für sich ein aufwendiges Begräbnis mit tausend Seelenmessen. Nach Jahns Tod 1766 führte ihre Tochter die Druckerei unter ihrem Namen "Maria Susanna Jahn, Universitäts-Buchdruckerin" bis zu ihrem Tod 1772 weiter. Ihr Sohn Johann Josef Jahn hatte bei seiner Geschäftsführung offenbar nicht mehr das Talent seiner Großmutter und mußte Kredite aufnehmen, die er von einem aus Salnau im Böhmerwald zugewanderten Schneider namens Caspar Salzer bekam (DURSTMÜLLER 1982: 120-122).
Ein Fall aus Bregenz zeigt, wie sich eine Frau durch Beharrlichkeit erfolgreich widrigen patriarchalen Zunftprinzipien widersetzte: Anna Barbara Schüssler, geb. Waggin, war Witwe des Druckers Niklas Schüssler, dessen Offizin vom Sohn Benedikt Anton übernommen wurde, der aber wenige Jahre nach dem Vater starb. GMEINER (1976: 213 f.) schildert die damit eintretende Situation folgendermaßen: Außer Benedikts Witwe stellte noch deren zwanzigjähriger Schwager Johannes Schüssler Erbansprüche. Die Behörden verfügten, er habe sich zunächst einer Fachausbildung im Schüsslerschen Betrieb zu unterziehen. Begreiflicherweise kam es zu Streitigkeiten, die zu einer Reihe von gegenseitigen Klagen führten. Dem Ratsprotokoll vom 16. Dezember 1733 ist die endgültige und überraschende Lösung zu entnehmen: demnach wurde die Druckerei zwar dem Johannes Schüssler zugesprochen, der Witwe Anna Barbara aber erlaubt, einen eigenen Betrieb zu eröffnen, der angeblich besser florierte. So bestanden in Bregenz zwei Schüssler-Offizinen, was auch daran zu erkennen ist, daß in beiden Druckereien Kalender mit verschiedenen Schriftbildern gedruckt wurden. Anna Barbara Schüssler scheint bis zum Jahr 1753 jährlich als Steuerzahlerin auf, gefolgt 1754 von Benedikt Antons Tochter Sabina Catharina, die bis 1765 erwähnt wird (WELTSCH 1991: 262).
Oft führten Frauen - mangels männlicher Nachfolger - über lange Jahre und mehrere Frauengenerationen hinweg den Betrieb. So Maria Barbara Mayr, die nach dem frühen Tod ihres Mannes Johann Josef (1724) in Salzburg druckte und 1739 die Druckerei an ihre Tochter Anna Viktoria Kajetana übergab, die mit dem Salzburger Hofkammerrat Joseph Maximilian Konhauser, Edlem von Sternfeld verehelicht war. "Das Impressum der altrenommierten Druckerei Johann Josef Mayr wird - wie auch sonst meist - beibehalten; nur das Wort 'Erbin' kommt hinzu", weist DURSTMÜLLER (1982: 320) auf die übliche Gepflogenheit hin, daß die Witwen bzw. Töchter von Druckern namentlich nicht in der Firmenbezeichnung aufschienen, sondern sich hinter dem Zu-satz "Erbin", "Witwe", "Nachfahren" etc. verbargen. Anna Viktoria führte Buchhandlung und Druckerei 36 Jahre lang, bis sie in der Folge eines schweren Zensurkonflikts 1775 ihren Druckereibetrieb billigst veräußern mußte. Die 1760 von Johann Philipp Eckebrecht gekaufte Buchhandlung behielt sie noch länger (PAISEY 1988).
Maria Rickhes druckte nach dem Tod von Michael Rickhes von 1636 bis zu ihrem Tod 1640 am Lugeck in Wien. Im Impressum finden sich folgende Formulierungen: "Viennae Austriae apud Mariam Rictiam Viduam ad Lubecam", "Viennae, Austriae, In Officina Mariae Rictiae", "gedruckt zu Wienn bey Maria Rickesin" (MAYER 1883: 229). Ihr Sohn starb 1661, ab dann übernahm dessen Witwe Susanna Rickhesin den Betrieb und druckte bis 1669. Anton MAYER vermutet, daß die Qualität der zahlreichen unter ihrer Führung entstandenen Druckwerke auf "einen tüchtigen Faktor" (1883: 283) zurückzuführen seien - ein Beispiel dafür, daß das Vertrauen in berufliche Leistungen von Frauen auch in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema eher gering ist.
Anna Franziska Voigt übernahm in Wien 1706 den Betrieb ihres verstorbenen Mannes Leopold Voigt. Eine Buch-Kuriosität aus ihrer Offizin ist der "Freywillig auffgesprungene Granat-Apffel" der Fürstin Eleonora Maria Rosalia von Liechtenstein (1708) mit volksmedizinischen Ratschlägen. 1711 übernahm ihr Sohn Ignaz Dominik die Offizin und nach dessen Tod 1723 wiederum dessen Witwe Maria Theresia, geb. Nunberger, die bis 1740 als Universitäts-Buchdruckerin arbeitete.
In Klagenfurt druckte Maria Eva Kleinmayr von 1725 bis 1728 und ihre Schwiegertochter Anna (Maria) Christine, geb. Praneggerin (Franeggerin?), von 1749 bis 1769. In ihrer Offizin wurden vor allem geistliche Werke und slowenische Bücher gedruckt. Außerdem wird der "Klagenfurter Schreibkalender" 1758 von ihr gegründet, aus dem sich später der Kärntner Amtskalender entwickelt hat (WANNER 1952: 36; JAHNE 1930: 89). Ignaz Kleinmayr übernimmt 1769 den Betrieb, und als er 1802 stirbt, bleibt seine zweite Frau Thekla mit einem Stiefsohn und drei eigenen Kindern zurück. Sie trägt 24 Jahre lang die Verantwortung und setzt die Erhaltung des Erbes durch, bis ihr jüngster Sohn Ferdinand von Kleinmayr Druckerei und Buchhandlung in Klagenfurt übernimmt (NEWOLE 1954: 420).
Auch in der Geschichte des Hauses Gerold - eine Firma, die übrigens heute noch besteht - findet sich eine Frau, Magdalena Gerold, die als Witwe über lange Jahre (1800 bis 1813) die Druckerei in den schwierigen Zeiten der Napoleonischen Kriege und des damit verbundenen wirtschaftlichen Niederganges führte. Ihr Sohn Johann starb, bevor er die Nachfolge antreten konnte, und so mußte sich Carl Gerold, der zweite Sohn, der sich der Textilbranche zugewandt hatte, in kurzer Zeit zum Drucker umschulen. Ab November 1807 wurde er Gesellschafter ("Josef Gerolds sel. Witwe & Sohn") und im Jahre 1813 Alleineigentümer (JUNKER 1925: 31 f.).
Theresia Wallishauser, Witwe des Johann Baptist I., der sich als Hof-Theaterdrucker einen Namen gemacht hatte, erbte 1810 viele Schulden und hatte darüber hinaus für zahlreiche - die Angaben schwanken zwischen sieben und neun - Kinder zu sorgen. Sie druckte 1818 die "Geistlichen Übungen für drey Tage" von Zacharias Werner (der als Kanzelredner berühmt war). 1819 übernahm ihr Sohn Johann Baptist II. die Firma und leitete sie bis zu seinem Tod 1831. Seine Frau Josefine übernahm die Offizin, schaffte neue Pressen an und ersetzte das Haus durch einen Neubau. 1854 konnte Johann Baptist III. einen gesunden Betrieb übernehmen. In einem Artikel über die Firmengeschichte "Wallishausser" wird auch auf die Leistungen der beiden Witwen eingegangen (JOHANN B. WALLISHAUSSER 1899: 4).
Drucker-Witwen fügten sich häufig schlecht oder recht in das ihnen auferlegte Schicksal, neben ihren familiären Verpflichtungen das Geschäft ihres verstorbenen Mannes betreiben zu müssen. Es gibt aber auch Fälle, wo sie echtes Interesse und ein beach-tenswertes Talent für das Metier entwickelten.
Elisabeth Pichler, geb. Praller, - sie war übrigens auch Schwägerin der Schrift-stellerin Karoline Pichler - führte als Witwe nach dem Tod von Anton Pichler 1823 den Betrieb in Wien-Margareten weiter. Sie zeigte Sinn für Innovationen, richtete 1833 eine eigene Betriebsschriftgießerei ein und ersetzte die veralteten Holzpressen durch eiser-ne und eine Schnellpresse. 1851 trat ihr Sohn als Geschäftsführer ein; gemeinsam führten sie den Betrieb unter dem Namen "A. Pichlers Witwe & Sohn" bis zu ihrem Tod 1865 weiter, wobei beide sich für die neuen Verfahrensweisen interessierten, wie sie beispielsweise im Landkartendruck aufkamen - 1883 wurde bei Pichler Raffelsbergers "General-Postkarte des Kaiserthumes Österreich" gedruckt.
Aber auch allgemein- und berufspolitisches Engagement werden Elisabeth Pichler nachgesagt: "Im Revolutionsjahr 1848 stand die Witwe Pichler der freiheitlichen Bewegung mit Sympathie gegenüber. Auch der Unterstützungsverein für erkrankte Buchdrucker und Schriftgießer, eine Vorläuferorganisation der heutigen Gewerkschaft Druck und Papier, erfreute sich der ideellen und finanziellen Unterstützung durch Frau Pichler", weiß DURSTMÜLLER (1982: 256) zu berichten.
Die angeführten Beispiele zeigen, trotz ihrer individuellen Vielfalt, doch auch typische Gemeinsamkeiten für weibliche Lebenswege im Druckergewerbe: Frauen waren gezwungen, die Betriebe ihrer verstorbenen Männer zu übernehmen und zu führen, um sie - im Falle von unmündigen Nachkommen - für die Familie zu erhalten. Übrigens war das System des "Witwen-Fortbetriebes" nicht nur auf das Druckergewerbe beschränkt, wie CZEIKE (1999) am Beispiel von Apotheker-Witwen zeigt. Auch wenn sie sich der Hilfe eines Geschäftsführers bedienten, waren große Umsicht und Verständnis für das Gewerbe, aber auch innovatives Denken und politisches Geschick erforderlich. Viele verheirateten sich deshalb rasch wieder mit einem Drucker, der in der Mehrzahl der Fälle als Faktor oder Geselle bereits im Familienbetrieb gearbeitet hatte. Es gab aber auch nicht wenige, die unverheiratet blieben. Sie waren dann mit privilegienrechtlichen Problemen konfrontiert und mußten sich in einer männlich dominierten Zunft behaupten, was auf Dauer nur jenen gelang, die ein Übermaß an Geschäftstüchtigkeit und Energie aufbrachten. Anton DURSTMÜLLER beschreibt nicht ohne patriarchale Empathie im zweiten Band von "500 Jahre Druck in Österreich" die schwierige Situation dieser Frauen folgendermaßen:
"Traurig war meist das Los der Witwe nach einem Druckereibesitzer, falls sie nicht einen ausgebildeten Sohn hatte. Zwar durften Witwen nach der Gesetzeslage die Offizin weiter betreiben, wenn sie fachkundige Geschäftsführer namhaft machten; doch vertrug nicht jeder Betrieb eine solche Mehrbelastung. Da kam es der alleinstehenden Frau billiger, den Geschäftsführer oder einen Gehilfen zu heiraten, wie es die Witwe Franziska Weinmayr in Linz 1842 mit ihrem Schweizerdegen Josef Wimmer oder 1874 die Witwe Huppmann in Wien mit ihrem Geschäftsführer Josef Hoyer tat. Vom traurigen Los der Witwe Stöckholzer war bereits die Rede. Wünschte sich eine Witwe mit einem Mann wiederzuverehelichen, der selbst nicht das Druckgewerbe erlernt hatte, so durfte sie den Witwenbetrieb nicht weiterführen, auch nicht mit einem Geschäftsführer. Dann blieb ihr kein anderer Ausweg , als entweder das Geschäft zu verkaufen oder aber mit dem Mann ihrer Wahl in nicht legalisierter Gemeinschaft zu leben. So gesche-hen bei der Witwe Halauska in Salzburg. Geriet die Witwe eines Prinzipals in Not, so ging es ihr nicht besser als einer Arbeiterfrau: Sie mußte um Almosen betteln. Näheres ist beispielsweise über Johann Haupt nachzulesen. Unter wahrer Selbstaufopferung führte die Witwe Rothauer in Rohrbach den Betrieb trotz schwerer Konkurrenz eines übermächtigen Rivalen erfolgreich durch fast 20 Jahre bis an ihren Tod" (1985: 88).
Das Zitat suggeriert Lebensschicksale voll von Hindernissen und Entbehrungen. Dennoch wage ich die Hypothese, daß diese Druckerinnen-Schicksale trotz der zahlreichen Widrigkeiten auch von positiven Aspekten begleitet waren. Sicherlich, die Übernahme einer Druckerei aufgrund des Ablebens des Ehegatten war eine zunächst schmerzhaft aufgezwungene zusätzliche Verpflichtung - hatten die Drucker-Gattinnen doch vor allem auch für die Nachkommen und das häusliche Wohl zu sorgen. Es ist aber andererseits auch anzunehmen, daß die neue Prinzipalinnen-Rolle für viele Frauen eine reizvolle Herausforderung darstellte, an der sie sich messen konnten und - wie wir gesehen haben - deren emanzipatorisches Potential sie auch nutzten. Viele Frauen im Druckermetier hatten durch die enge Verflochtenheit von Betriebs- und Familienleben schon zu Lebzeiten ihres Mannes tatkräftig mitgeholfen, praktische einschlägige Fertigkeiten erlernt und waren in die Besonderheiten der Geschäftsführung eingeweiht - heute würde man sagen, sie hatten sich ein beträchtliches Know-How angeeignet. Nicht alle flüchteten also in eine neue Ehe, sondern fanden im Gegenteil Gefallen an der neuen Rolle als Prinzipalin. Es gelang ihnen, eine berufliche Identität zu entwickeln, die weit über die damals zugestandenen Möglichkeiten und das gesellschaftlich zuerkannte Rollenbild hinausgingen.
Der Technologie-Umschwung im Druckereigewerbe und seine Fol-gen für die Frauen
Mitte des 19. Jahrhunderts setzte auch im Druckergewerbe ein Paradigmenwechsel ein. Bisher war es geprägt worden von patriarchal organisierten Kleingewerbebetrieben, die mit starker Verankerung in der Familie unter dem persönlichen Einsatz fast aller ihrer Mitglieder funktionierten. Nach 1848 begannen sich anonymere Betriebsstrukturen zu entwickeln: Kapitalgesellschaften wurden gegründet, die individuellen Arbeitsleistungen von Einzelpersonen wichen hinter der Massenarbeitskraft der Industriegesellschaft zurück. Die technologischen Umwälzungen brachten eine immense Ausweitung der abhängigen Lohnarbeit mit sich - die auch vor den Frauen nicht halt machte.
Im Druckereibereich hatte zu diesem Zeitpunkt die erste technische Neuerung mit der Einführung der Rotationsmaschinen und Schnellpressen bereits stattgefunden, während auf dem Gebiet des Satzes noch wie zu Gutenbergs Zeiten gearbeitet wurde. Die Buchsetzer - durchwegs ein Männerberuf - hatten aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Bildung und hohen fachlichen Qualifikation eine Sonderstellung und damit ein hohes berufliches Selbstbewußtsein. Es gab zwar vereinzelt Frauen und Mädchen - in der Regel Familienangehörige -, die im Satz tätig waren, in der Öffentlichkeit waren sie jedoch kein Thema. Erste Versuche, für Frauen eine eigene Buchdruck-Ausbildung zu schaffen, sind in Frankreich nach der Revolution zu entdecken: "Der Drucker Deltufo richtete 1794 in Paris ein Atelier de Compositrices ein, andere Versuche folgten" (LEXIKON 1991: 40).
1840 wurde in England die erste Setzmaschine (der "Pianotyp") zum Patent an-gemeldet und in den folgenden Jahren war die Fortentwicklung dieser Technologie in den einschlägigen Fachzeitschriften ein ständiges Thema. Nun ist historisch nachgewiesen, daß gerade in den Jahren der ersten Erprobung der neuen Maschinen vorzugsweise Frauen zum Einsatz kamen (siehe dazu das hervorragend recherchierte Buch von Brigitte ROBAK 1996). Einschlägige Abbildungen zeigen Frauen bei der Setzarbeit, und zwar in einer Weise, die eher dem Klavierspiel als einer Arbeitstätigkeit ähnelt.
"Wenn also Frauen und Mädchen, zumal solche aus höheren Schichten, aus ökonomischen Gründen arbeiten mußten oder wollten - und im Interesse der Maschinenerfinder und Unternehmer auch sollten -, dann mußten im Arbeitsplatzambiente Bedingungen geschaffen werden, die den häuslichen ähnlich waren, und die Maschinen mußten so aussehen, als seien sie Instrumente zur Zerstreuung höherer Töchter. So erwecken die frühen Bilder den idyllischen Eindruck, die Frauen hätten an den Maschinen nicht eigentlich zu arbeiten, sondern nur spielerisch ihre Finger über die Tasten gleiten zu lassen" (ROBAK 1996: 36).
Die spezielle Fingerfertigkeit von Frauen wurde also in den Versuchsjahren der Setz-maschinen gezielt eingesetzt - bei geringer Entlohnung, wie sich versteht. Die Erfinder wollten ihr Produkt vor allem durch die Gleichung "Maschinensatz = Frauenarbeit = leicht und billig" anpreisen. Es gab Druckereibesitzer in Frankreich und Deutschland, die sich besonders für die Frauenarbeit einsetzten; in London wurde 1860 von Emily Faithfull sogar eine eigene Frauen-Druckerei mit ausschließlich weiblichem Personal, die "Victoria-Press" gegründet (FRAUEN ALS BUCHDRUCKERINNEN 1861). In Berlin (der "Lette-Verein" im Zusammenhang mit der Berliner Buchdruckerei AG) und in Frankreich (Théotiste Lefèvre in der Druckerei von Firmin Didot in Mesnel-sur-l'Estrée) wurden Setzerinnen-Schulen eingerichtet, ja sogar in Wien soll es zeitweise eine Setzerinnen-Schule gegeben haben. Es wäre in dieser Hinsicht besonders interessant, die Bestände der "Österreichischen Buchdruckerzeitung" (Jg. 1.1873 bis Jg. 48.1920) nach Spuren weiblicher Präsenz zu durchforsten - was allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Als sich die neue Technologie erfolgreich bewährt und etabliert hatte, begann sich jedoch der männliche Widerstand in der Arbeiterschaft zu formieren und es kam zu einem Umschwung, "gekennzeichnet durch einen konflikthaften Prozeß des Neuverhandelns der Maschineneinsatzbedingungen und der Arbeitsorganisation in den Setzereien, der damit endete, daß der Maschineneinsatz schließlich als typischer Männerarbeitsplatz galt" (ROBAK 1996, S. 221).
Die Druckereiarbeiter einigten sich in der Tarifgemeinschaft zwischen Unternehmerverband und Gewerkschaft darauf, die Maschinenarbeitsplätze ausschließlich gelernten Handsetzern vorzubehalten. Außerdem wurde das Nachtarbeitsverbot für Frauen eingeführt, wodurch vor allem in den Zeitungsdruckereien die Frauen praktisch ausgeschlossen waren. Im von Helene LANGE und Gertrud BÄUMER herausgegebenen "Handbuch der Frauenbewegung" finden sich im Teil 4 ("Die deutsche Frau im Beruf") statistische Angaben zur unterschiedlichen Entlohnung von Arbeitern und Arbeiterinnen. Demnach ist die Lohndifferenz im Buchdruck am größten: der durchschnittliche männliche Wochenverdienst ist mit 28 M. bei den Buchdruckern am höchsten, gefolgt von den Lithographen mit 25 M. Der durchschnittliche weibliche Wochenverdienst liegt etwa gleich in allen Gewerbesparten und beträgt im Buchdruck 10 M., also fast ein Drittel. Die Autorinnen kommentieren diesen Unterschied folgendermaßen: "Der Unterschied ist umso grösser, je mehr es sich bei den Männern um gelernte und organisierte, bei den Frauen um ungelernte und darum unorganisierbare Arbeit handelt" (HANDBUCH DER FRAUENBEWEGUNG, Teil 4, 1902: 180). Außerdem wird angemerkt, daß im Druckereigewerbe die Arbeiterinnen "fast ganz außerhalb der hochorganisierten männlichen Arbeiterschaft (stehen); sie werden meist zu Hilfsarbeiten verwendet, bisher selten als Setzerinnen, obwohl ihre geringen Lohnansprüche dazu locken und nach Aussage von Unternehmern die weiblichen Setzer ‚sich durch Pünktlichkeit, Fleiss und Geschicklichkeit auszeichnen'" (HANDBUCH DER FRAUENBEWEGUNG, Teil 4, 1902: 206).
Daß sich Frauen jedoch nicht vollständig von den neuen qualifizierten Arbeitsplätzen vertreiben ließen und vereinzelt heftigsten Widerstand leisteten, läßt sich anhand der sogenannten "Couriau"-Affäre in Frankreich anschaulich nachweisen (SOWERWINE 1983). Emma und Louis Couriau waren beide Drucker, heirateten 1912 und bekamen Arbeit in Lyon. Im April 1913 bewarb sich Emma um die Aufnahme in die örtliche Druckergewerkschaft, die ihr nicht nur verweigert wurde, sondern es wurde ihr auch verboten, ihren Beruf auszuüben. Der Fall kam vor das Zentralkomitee der Gewerkschaft, wo er zu heftigen Debatten führte, in die nicht nur alle Sektionen einbezogen wurden, sondern auch die Führerinnen der Frauenbewegung. 1901 hatte übrigens die bekannte Feministin Marguerite Durand bereits eine Frauen-Gewerkschaft von Setzerinnen gegründet, die in ihrer Zeitschrift "La Fronde" arbeiteten - diese wurde jedoch von der Druckergewerkschaft nicht anerkannt. Zwei Jahre vorher erschien in "La Fronde" bereits ein Artikel über die Arbeit der Frauen in der Buchindustrie (DISSARD 1899). Schließlich setzte sich die fortschrittlich denkende Gewerkschaftsführung gegenüber der Basis von noch in traditionellen Rollenklischees verhafteten Mitgliedern durch. Die Couriau-Affäre führte zu einem neuen Bewußtsein für die Brisanz des Themas "Ge-schlechterkampf am Arbeitsplatz" und zu einer rascheren Akzeptanz von Frauen im Industriebereich.
Zusammenfassung
Die Geschichte der Frauen im Buchdruck ist - wie so häufig - eine "Geschichte im Hintergrund", eine Geschichte, die sich bestenfalls anekdotisch in die androzentrisch ausgerichtete Geschichtsschreibung einfügt. Frauen sind auch hier die Ausnahme, sie treten kaum ins Rampenlicht, ihre Leistungen werden minder bewertet, sie wirken "im Stillen".
Die Ironie der Geschichte brachte es allerdings mit sich, daß Frauen offensicht-lich schon in den vergangenen Jahrhunderten eine bessere gesundheitliche Konstituti-on besaßen und daher ihre angetrauten Männer oft um viele Jahre überlebten. Und in einem patriarchal geprägten Gewerbe, wie dem der Buchdruckerei, war es üblich, die männliche Familien-Nachfolge zu sichern. Das hieß in den meisten Fällen, daß nach dem Tod des Prinzipals der Betrieb so lange interimistisch weitergeführt werden mußte, bis der Sohn imstande war, die väterliche Offizin zu übernehmen.
Und in dieser Zeitspanne, die oft lange Jahre dauern konnte, traten die Drucker-Witwen auf den Plan. Von Gesetzes wegen wurde ihnen zwar die Bestellung eines Geschäftsführers auferlegt, die zitierten Beispiele zeigen allerdings, daß dies oft nur eine Formal-Angelegenheit gewesen sein dürfte. Die Witwen waren meist sehr wohl imstande, den Betrieb selbst zu organisieren und zu leiten und es darf durchaus angenommen werden, daß viele unter ihnen an der neuen Prinzipalinnen-Rolle Gefallen fanden und diesen Freiraum, der ihnen durch die Witwenschaft eingeräumt wurde, durchaus im emanzipatorischen Sinne nutzten.
Als sich im Laufe der industriellen Revolution die Produktionsbedingungen änderten und die alten patriarchalen Gewerbestrukturen nach und nach auflösten, waren es wieder Frauen, die im Buchdruck von sich reden machten. Sie waren die ersten, die an den um die Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals eingesetzten Setzmaschinen arbeiteten und auf diese Weise einer neuen Technologie zum Durchbruch verhalfen. Allerdings wurden sie nach dieser Erprobungsphase durch die inzwischen gut organisierte männliche Arbeiterschaft wieder weitgehend vom Arbeitsplatz verdrängt. Dieser Prozeß lief jedoch nicht unwidersprochen ab: Er war von langwierigen Meinungsverschiedenheiten begleitet, an dem sich Maschinenerfinder und -hersteller, Druckereiunternehmer und Gewerkschaften beteiligten. Daran läßt sich schön zeigen, daß Frauen, die in sogenannte "Männerdomänen" eindringen, die komplexen Strukturen der sozioökonomischen Interessen und der damit eng verknüpften Frage der Geschlechterbeziehungen besonders deutlich ans Tageslicht bringen. Auch heute noch.
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