85 Jahre allgemeines Frauenwahlrecht in Österreich |
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Frauen im Parlament |
Anna Boschek Anna Boschek kam 1874 in Wien zur Welt. Sie und ihre sieben Geschwister fristeten ein dürftiges Leben, und Anna musste nach dem Tod des Vaters schon mit neun Jahren die Schule abbrechen und, wie viele andere Kinder in dieser Zeit auch, mit Heimarbeit zum Unterhalt der Familie beitragen. Mit elf Jahren stand sie schon in einer Chemiefabrik; seit 1891 fand sie als Spulerin Beschäftigung in der Textilindustrie. Durch ihren Vormund und Mentor, den Gewerkschafter Anton Hueber, nahm sie schon bald regen Anteil am gewerkschaftlichen und politischen Leben und trat 1891 selbst der Gewerkschaft bei. Im gleichen Jahr wurde sie auch Mitglied des sozialdemokratischen Arbeiterinnen-Bildungsvereins. Zwei Jahre später bekam sie durch Vermittlung ihres Vormunds eine Anstellung bei der Gewerkschaftskommission für die gewerkschaftliche Organisierung von Frauen. Dies gab ihr Gelegenheit, das für sie wichtigste Thema, die Gleichberechtigung der Frauen auch gegen den Widerstand einzelner männlicher Kollegen voran zu treiben. Dass Frauen sehr wohl auch für Führungspositionen geeignet sind, bewies sie 1890, als sie als erste Frau in den Parteivorstand der Sozialdemokraten gewählt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg war sie 1918 bis 1920 Mitglied des Wiener Gemeinderats. 1919 gehörte sie als eine der acht Frauen der Konstituierenden Nationalversammlung an und blieb bis zur Auflösung des Parlaments 1934 Abgeordnete zum Nationalrat. Bei all ihren Tätigkeiten setzte sie sich vor allem für sozial- und arbeitsrechtliche Verbesserungen ein. So gehörte sie zu denen, die den Achtstundentag, die Regelungen der Arbeitsruhe und der Nachtarbeit gesetzlich verankerten. Das Hausgehilfinnengesetz ging in erster Linie auf ihre Initiative zurück. Im Ständestaat wurde sie zunächst verhaftet, nach sieben Wochen ließ man sie aber wieder frei und stellte sie unter Polizeiaufsicht. Sie konnte sich jedoch bei Amalie Seidel unter dem Deckmantel harmloser Frauenrunden mit ihren Gesinnungsgenossinnen treffen. Anna Boschek war bis an ihr Lebensende 1957 in der gewerkschaftlichen und sozialistischen Bewegung und in der Frauenpolitik aktiv. |