VERFEMT UND VERBRANNT - Die "ungehörige" Literatur
Das Buch, das in der Welt am ersten verboten
zu werden verdiente, wäre ein Catalogus von verbotenen Büchern.
Georg Christoph Lichtenberg
Jahrhundertelang fürchteten religiöse und politische Machthaber die subversive Kraft des
gedruckten Wortes.
Kaum war mit der bahnbrechenden Erfindung des Buchdrucks der Grundstein
für die massenweise Verbreitung von Büchern gelegt worden, als zu Beginn des
16. Jahrhunderts mit der Einführung der Zensur die kirchliche und weltliche Überwachung
der Druckschriften institutionalisiert wurde.
Im Zuge des Konzils von Trient erschien 1559
erstmals der berüchtigte "Index librorum prohibitorum" (auch "Index Romanus"), ein
Verzeichnis von Werken, die gegen katholisches Dogma verstießen und deren
Lektüre daher verboten war. Der Index erlebte Neuauflagen bis 1948 und hatte bis 1966 Rechtskraft.
Von der Unterdrückung ketzerischer Schriften bis zur demonstrativen öffentlichen
Vernichtung von Büchern, die religös, moralisch, weltanschaulich oder politisch
Anstoß erregt hatten, war es nur ein kleiner Schritt. Die Bücherverbrennung
als symbolischer Akt blieb kennzeichnend für alle Epochen geistiger Unfreiheit
und ist historisch stets als Fanal eines totalitär-aggressiven Vernichtungswillens
verstehbar, der bald auch nach Menschenleben trachten sollte. Der Bogen der Gewalt
spannt sich von der katholischen Inquisition bis zum islamistischen Fundamentalismus
unserer Tage.
Als Menetekel nationalsozialistischer Barbarei ging wenige Monate nach
Hitlers Machtergreifung die Bücherverbrennung vom Mai 1933 in die Geschichte ein,
die sich gegen den sogenannten "undeutschen Geist" richtete.
Damals gingen die
Werke jüdischer, marxistischer, pazifistischer oder "dekadenter" Autoren in Flammen auf.
Der Ausspruch von Oscar Wilde, daß die Kultur der Neuzeit überwiegend auf verbotener
Lektüre beruhe, hat sich bis heute bewahrheitet, bedenkt man,
wessen Werke im Laufe der Jahrhunderte verfemt waren:
Boccaccio, Luther, Rabelais, Machiavelli, Milton, Voltaire, Heine,
Proust, Freud, Schnitzler, Heinrich und Thomas Mann, Karl Kraus,
Hesse, Döblin, Musil, Kafka, Broch, Brecht, Canetti, Sartre, Rushdie,...
Peter Jungmayer
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