Grundeintrag 1997
[1/ S. 192:] Das von Rudolf Haller geleitete
Forschungsinstitut »Forschungsstelle und Dokumentationszentrum
für österreichische Philosophie« befaßt sich mit
der Sammlung und Auswertung von Materialien zur Tradition
österreichischer Philosophie (Brentano-Schule, Wiener Kreis)
und zur gegenwärtigen Philosophie in Österreich. Diese
Materialien reichen von wissenschaftlichen Nachlässen bis zu
bibliographischen Datenbanken der aktuellen philosophischen
Produktion. Darüber hinaus werden an der Forschungsstelle
Forschungs- und Editionsprojekte durchgeführt.
Einige Aktivitäten 1997: Die umfangreiche und hochinteressante
wissenschaftliche Korrespondenz Franz Brentanos (1838-1917), des
Begründers der Phänomenologie, ist an der
Forschungsstelle in Abschriften und Mikrofilmen vorhanden. Diese
Briefe wurden nun datenbankmäßig erfaßt und
liegen darüberhinaus als gedruckter Katalog vor. Der 114
Seiten starke Katalog weist 3692 Briefe aus und kann an der
Forschungsstelle eingesehen werden.
Oskar Kraus (1872-1942) war Schüler Franz Brentanos und
Nachfolger Anton Martys auf dessen Prager Lehrstuhl für
Philosophie. Er gilt als einer der glühendsten Verfechter
der philosophischen Schriften Brentanos und erwarb sich als ihr
Herausgeber große Verdienste. Seine bedeutendsten
philosophischen Leistungen liegen auf dem Gebiet der Werttheorie
und Rechtsphilosophie. Die »Schriften zur Werttheorie« wurden an
der Forschungsstelle als erster Band einer auf drei Bände
geplanten Werkausgabe vorbereitet und sollen 1998 publiziert
werden.
Ein weiteres Editionsprojekt, das 1997 in Angriff genommen werden
konnte, sieht die Publikation einer Auswahl aus der Korrespondenz
von Moritz Schlick (1882-1936), des Mitbegründers des Wiener
Kreises, vor. Interessant ist diese Korrespondenz nicht nur, weil
sie neue [1/ S. 193:] Einblicke in die Geschichte des
Wiener Kreises gewährt, sondern auch, weil die Briefpartner
Schlicks weit über die engeren Grenzen der Philosophie
hinausreichen. Aufgrund des großen Umfanges der
Korrespondenz sind zwei Bände geplant.
Der wichtigste Neuzugang zum Archiv der Forschungsstelle sind Kopien
von Briefen aus dem Nachlaß Robert Reiningers (1869-1955),
der von 1922 bis 1939 neben Moritz Schlick ordentlicher Professor
für Philosophie an der Universität Wien war. Der
Nachlaß selbst befindet sich im Privatbesitz von
Univ.-Prof. Dr. Erich Heintel, der so freundlich war, der
Forschungsstelle Zugang zu den Materialien zu gewähren. Es
wurde ein erstes provisorisches Verzeichnis des Nachlasses
angelegt. Kopiert wurde neben philosophischen Korrespondenzen der
ca. 100 Briefe umfassende Briefwechsel mit dem Schriftsteller
Erwin Guido Kolbenheyer.
Im November 1997 veranstaltete die Forschungsstelle an der
Universität Graz gemeinsam mit der Vereinigung für
wissenschaftliche Grundlagenforschung eine zweitägige
Konferenz zum Thema hundert Jahre Institut für Philosophie
in Graz, bei dem erste Ergebnisse eines größer
angelegten Forschungsprojektes zur 400jährigen Geschichte
der Philosophie an der Grazer Universität präsentiert
wurden. Neben diesen projektorientierten Tätigkeiten wird an
der Forschungsstelle ständig an der Erweiterung der
Literaturdatenbank zur österreichischen Philosophie
gearbeitet.
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