Frauen in Bewegung: 1918-1938

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Frauenbewegung/en

Wie Frauenbewegung geschrieben wird
 
Historisierung von Frauenbewegungen

AkteurInnen und ZeitgenossInnen der Frauenbewegung trafen verschiedenste Maßnahmen, um die Geschichte der Frauenbewegung zu dokumentieren. Dies geschah sowohl in Sammelbänden, Monographien und Memoiren als auch mittels Zeitungsartikel, Ausstellungen oder Veranstaltungen. Unterschiedliche Ausgangssituationen, Benennungspraxen und Inanspruchnahmen bedeuteten bereits für die österreichische Zwischenkriegszeit die Schaffung unterschiedlicher Vergangenheiten.

So wurde beispielsweise der Beginn österreichischer Frauenbewegung an einem konkreten Datum festgemacht: dem 12. März 1870, jenem Tag als Marianne Hainisch auf der Generalversammlung des Wiener Frauenerwerbsvereins „Zur Frage des Frauenunterrichtes“ Stellung nahm und die Errichtung von Mädchenrealgymnasien forderte. Der Tatsache, dass bürgerlichen Frauen im Gegensatz zu Arbeiterinnen keinerlei angemessenen Erwerbsmöglichkeiten zur Verfügung standen, sollte ein Ende bereitet werden. Für die Eröffnung von Mädchengymnasien, die Zulassung von Frauen zu verschiedenen Gewerben, die Eroberung neuer Frauenberufe oder das Frauenstimmrecht setzten sich in weiterer Folge eine Vielzahl von bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, Frauenvereinen und Frauenzeitschriften ein. Die Fokussierung auf die Bedeutung Marianne Hainischs führte in Historisierungspraktiken von Frauenbewegungen der Ersten Republik mitunter zur Vernachlässigung insbesondere von Vertreterinnen des als radikal geltenden Flügels bürgerlicher Frauenbewegung – wie etwa Auguste Fickert oder Rosa Mayreder.

Namen, Forderungen sowie die Konstituierung einschneidender Ereignisse in der bürgerlichen Bewegungsgeschichte sollten sich jedenfalls deutlich von den Namen und Ereignissen unterscheiden, die für die Historisierung sozialdemokratischer Frauenbewegung herangezogen wurden. In diesem Kontext wurde historische Relevanz u.a. Adelheid Dwořak, später verheiratete Popp, Amalie Ryba, verheiratete Seidl, Anna Boschek, Therese Schlesinger, Emmy Freundlich, Amalie Pölzer sowie Gabriele Proft, dem 1890 gegründeten Arbeiterinnenbildungsverein oder der 1892 gegründeten Arbeiterinnen-Zeitung zugesprochen. Fast durchgängig wurde die Arbeiterinnenbewegung mit der Sozialdemokratie in Bezug gesetzt. Die sozialdemokratische Unterstützung für die Anliegen von Frauen und Arbeiterinnen erführ dabei stets entsprechende Würdigung.


Literatur:
Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich / hrsg. von Martha Stephanie Braun …. - Wien : Bund Österr. Frauenvereine, 1930
H. W. [Weber, Helene]: 60 Jahre Österreichs Frauenbewegung. - In: Österreichs Frauenzeitung 4 (1930) 1, 1-
Hainisch, Marianne: Die Frauenbewegung von 1870–1920. - In: Die Frau und ihre Interessen 1 (1927) 1, 2-
Pollak, Marianne: Der Aufstieg der Frauen Wiens. - In: Die Unzufriedene, Nr. 50, 11.12.1926, 2-
Pollak, Marianne: Wie wir hunderttausend wurden : das Werk unserer Vorkämpferinnen. - In: Die Unzufriedene, Nr. 51, 18.12.1926, 2-
Popp, Adelheid: Der Weg zur Höhe : die sozialdemokratische Frauenbewegung Österreichs ; ihr Aufbau, ihre Entwicklung und ihr Aufstieg. - Wien: Frauenzentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschösterreichs, 1929

von Natascha Vittorelli












   
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