Gert F. Jonke
1946-2009
© Elisabeth Peutz, Klagenfurt
Gert Friedrich Jonke, geboren am 8. 2. 1946 in Klagenfurt, gestorben am 4. 1. 2009 in Wien, zählte als Erzähler, Lyriker, Dramatiker und Hörspielautor zu den bedeutendsten und vielseitigsten Schriftstellern seiner Zeit. Er besuchte in Klagenfurt das Gymnasium, wo er, beeinflußt von Georg Trakl, Gedichte zu schreiben begann, von denen einige in der Kärntner Literaturzeitschrift "Der Bogen" publiziert wurden. Während der Schulzeit lernte er am Konservatorium des Landes Kärnten Klavier und die Grundlagen der Harmonielehre, eine Ausbildung, die später tiefe Spuren in seinem Werk hinterlassen sollte. Nach Ableistung des Wehrdienstes besuchte er ab 1966 an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien einen Lehrgang für Film und Fernsehen und studierte an der Universität Wien Germanistik, Philosophie, Geschichte und Musikwissenschaft. 1970 wurde er Mitarbeiter der Hörspielabteilung des Süddeutschen Rundfunks. 1971 ging er mit einem Stipendium des Berliner Künstlerprogramms "Deutscher Akademischer Austausch Dienst" nach Berlin. 1977 erhielt er den erstmals vergebenen Ingeborg-Bachmann-Preis. Er lebte danach als freier Schriftsteller in Wien und Klagenfurt. Preisgeld und Stipendien ermöglichten ihm längere Auslandaufenthalte in London, Hamburg und Frankfurt am Main und ausgedehnte Reisen in den Mittleren Osten und nach Südamerika. Zudem war Jonke an der Schule für Dichtung als Lehrer tätig und Mitglied verschiedener Interessenverbände, u.a. der Grazer Autorenversammlung und der Interessengemeinschaft Österreichischer Autorinnen und Autoren.
Bereits mit seinem ersten Buch "Geometrischer Heimatroman" (1969), einem sprachexperimentellen Gegenbild zum herkömmlichen Heimatroman, wurde Jonke international bekannt. Er durchbrach das Genre "Heimatroman" mittels Wortsatire und geometrischer Beschreibung der Landschaft. Auch die nachfolgenden Werke "Glashausbesichtigung" (1970) und "Die Vermehrung der Leuchttürme" (1971) zeigen den Autor als Meister von Denk- und Sprachexperimenten. Anfang der 1970er Jahre begann er Hörspiele zu schreiben. "damals vor graz" wurde 1970 in den "manuskripten" veröffentlicht und ist nicht nur im ORF, sondern etwa auch vom Westdeutschen Rundfunk und Süddeutschen Rundfunk als Hörspiel gesendet worden. Es folgten u.a. "Die Schreibmaschinen" (1972) und das Monodram "Im Schatten der Wetterfahnen" (1986).
In dem Erzählband "Schule der Geläufigkeit" (1977) erfüllte Jonke den an sich selbst gestellten Anspruch über "formal beachtliche Systeme" hinauszuwachsen. Mit der Einführung eines Pianisten als Protagonisten in der zweiten Erzählung der "Schule der Geläufigkeit" begann seine Beschäftigung mit dem Phänomen Musik. Ein Komponist und ein"akustischer Weltraumgestalter" sind auch die Hauptfiguren zweier weiterer Prosawerke "DER FERNE KLANG" (1979) und "Erwachen zum großen Schlafkrieg" (1982). Die Poetik von Jonkes Sprache wurde durch Wort-Klang-Spiele bereichert, deren Elemente aus dem Formenrepertoire der Musik stammen. Keine Künstlerbiographien im herkömmlichen Sinn sind Erzählungen, Essays und Filme in Jonkes eigener, eng mit Musik verknüpfter Sprache wie: "Der Kopf des Georg Friedrich Händel" (1988), "Sanftwut oder Der Ohrenmaschinist" (1990), eine "Theatersonate" um Ludwig von Beethoven, und "Geblendeter Augenblick - Anton Weberns Tod", eine Filmerzählung, die 1986 in der ARD gesendet wurde. Dem Zwölfton-Komponisten ist auch ein Essay in "Stoffgewitter" (1996) gewidmet.
Gert Jonkes erstes Bühnenstück war das 1989 aus dem gleichnamigen Hörspiel entstandene "damals vor graz", das im Forum Stadtpark uraufgeführt wurde. Das "Insektarium" und "Die Vögel" wurden im Wiener Volkstheater gespielt, "Es singen die Steine" im Stadttheater Klagenfurt (UA 1998). Während "Die Vögel" heftig polarisierten, erntete die "Chorphantasie" 2003 fast uneingeschränktes Lob. In den letzten Jahren folgten im Burgtheater "Die versunkene Kathedrale" (2005) und im Frühjahr 2008 "Freier Fall".
Weitere Auszeichnungen: Franz-Kafka-Preis (1997), Erich-Fried-Preis (1997), Berliner Literaturpreis (1998), Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur (2002), Kleist-Preis (2005), Arthur-Schnitzler-Preis (2006). Den Nestroy-Theaterpreis als bester Autor bekam Jonke mehrfach: für "Chorphantasie" (2003), für "Die versunkene Kathedrale" (2006) und - nur wenige Monate vor seinem Tod - für "Freier Fall" (2008).
Bibliographie in: Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Hg. von Heinz Ludwig Arnold. Stand 1. 1. 1993. 43. Nachlieferung. München: edition text + kritik 1993.
ÖLA 47/96: Splittervorlass
Zugangsdatum: 1996.
Umfang: 1 Archivbox.
Bestand benutzbar.
Ordnungssystematik/Inhaltsübersicht
Recherche nach »Gert F. Jonke« im Handschriften, Nachlässe- und Autographen-Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek (HANNA)