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Frauengeschichte
Österreich
- 28. Jänner: unter der Leitung von Auguste Fickert wird im Sitzungssaal des alten Rathauses die konstituierende Versammlung des "Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins" (AÖF) abgehalten; es ist die erste Organisation, die das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht in alle Vertretungskörperschaften verlangt; Rosa Mayreder wird Vizepräsidentin (siehe: Stenographisches Protokoll über die konstituierende Versammlung ... - Signatur: Ariadne-FIB.1)
- auf Initiative des "Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins" sollte ein österreichischer Frauentag einberufen werden:
"Die Genossinnen waren zur Teilnahme eingeladen, sie hielten es aber für notwendig, von allem Anfang an eine Scheidung zwischen proletarischer und bürgerlicher Frauenbewegung vorzunehmen. Sie lehnten die Teilnahme am österreichischen Frauentag ab und in einer großen Arbeiterinnenversammlung beim 'Luchsen' in Lerchenfeld wurde an dem geplanten Frauentag Kritik geübt und in einer Entschließung die Trennung der Arbeiterinnen von den bürgerlichen Frauen festgelegt. Vielleicht war damals schon durch diesen Beschluß der Weg vorgezeichnet worden für die Richtung, die die österreichische sozialdemokratische Frauenbewegung immer genommen hat. Der Frauentag unterblieb, aber es wurde die schon erwähnte Frauenwahlrechtsversamlung einberufen." (aus: Popp, Adelheid: Der Weg zur Höhe. Wien, 1929, S. 31)
- "Wien. Ein aristokratischer Freund des Frauenstudiums. In der 194. Sitzung des Abgeordnetenhauses am 3. Februar 1893 bei der Debatte über das Unterrichts-Budget verlangte Graf Kaunitz die Zulassung der Frauen zum Universitäts-Studium. In Prag bestehe schon ein Mädchen-Gymnasium und auch in Wien sei jetzt ein solches in's Leben gerufen worden. In Bosnien und der Herzegowina brauche man weibliche Ärzte. Der erste weibliche Arzt, der in Bosnien angestellt wurde, Fräulein Anna Baier, habe in Bern studiert. Die Universitäten würden ihre Gutachten über die Zulassung der Frauen hoffentlich bald und in den Frauen günstigem Sinne abgeben. Dem deutschen Parlamente liege ein entsprechender Antrag vor. Auch zur Pharmacie sollten die Frauen Zulass erhalten, da sie zu diesem Berufe sehr geeignet erscheinen. Die Unterrichts-Verwaltung möge sich mit diesen Fragen möglichst bald befassen, um den Frauen, welche das Gymnasium verlassen, den Eintritt in eine Laufbahn zu ermöglichen. (Beifall)"
(aus: Neuzeit, Nr. 3, 1893, S. 42)
- am 3. Mai kommt es auf der Ferdinandswiese in Wien-Meidling zum ersten organisierten Frauenstreik durch Arbeiterinnen dreier Appreturfabriken in Gumpendorf; er ging als "Streik der 700" als erster selbständiger Arbeiterinnenstreik in die Geschichte ein; die siebzehnjähfige Amalie Ryba (Seidel) führt den Streik an, Adelheid Popp spricht zu den streikenden Frauen; nach dreiwöchiger Dauer und unter mit zahlreichen Solidaritätsbekundungen (Spenden) wird dere Streik siegreich beendet (Feier in der "Gumpendorfer Bierhalle")
- 10. Juli: sozialdemokratische Wahlrechtsversammlung im Arkadenhof des Wiener Rathauses: Adelheid Popp wird als Rednerin bestimmt und sie fordert das Frauenwahlrecht
- am 1. Oktober kommt es in der Penzinger Au zur ersten sozialdemokratischen Frauenwahlrechtsversammlung: Adelheid Popp hat den Vorsitz und fordert das aktive und passive Wahlrecht aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts; Lotte Pohl und Amalie Seidel halten Vorträge - sie werden beide angeklagt: Lotte Pohl wird beschuldigt, die "Ehrfurcht vor Mitgliedern des kaiserlichen Hauses verletzt" zu haben und zu vier Monaten schweren Kerkers verurteilt (das Urteil wird bei einer weiteren Verhandlung aufgehoben); Amalie Seidel wird zu drei Wochen Arrest verurteilt
- am 8. Oktober wird im Lanner-Saal (bei der Rahlstiege) eine Dienstbotenversammlung abgehalten und unter Tumulten vom Regierungskommissär aufgelöst - daraufhin wird über Monate - fast jeden Sonntag eine Dienstbotenversammlung einberufen; die Bewegung kann sich aber nicht halten, weil es "zu viel kindliche Naivität in der Auffassung der (...) Hausgehilfinnen" gab (aus: Popp, Adelheid: Der Weg zur Höhe. Wien, 1929, S. 47)
- am 28. November wird der Lese- und Diskutierklub "Libertas" gegründet (Bildungsverein der Sozialdemokratinnen)
- Dezember: zweite Frauenwahlrechtsversammlung in den Schwender-Sälen in Fünfhaus
- in Prag wird der "Deutsche Verein zur Förderung des Wohles und der Bildung der Frauen" später "Deutscher Verein Frauenfortschritt" gegründet. Das Gründungskomitee besteht aus: Adele Schembor, Julie Schönbach, Wilhelmine Wiechowski und dem Herrn Dr. Winterstein. (Siehe dazu Artikel: Wiechowski, Wilhelmine: Der deutsche Verein "Frauenfortschritt" in Prag. In: Mitteilungen der Vereinigung der arbeitenden Frauen, Jg. 3, Nr.30, 1906)
Andere Länder
- auf der Weltausstellung in Chicago gibt es die erste selbständige Frauenabteilung; außerdem wird ein internationaler Frauenkongreß des "Internationalen Frauenbundes" abgehalten
- in Neuseeland wird das Frauenwahlrecht eingeführt
- das erste Heft der Zeitschrift "Die Frau : Monatsschrift für das gesamte Frauenleben unserer Zeit" (ÖNB-Signatur: 609.290-C.Per) erscheint am 1. Oktober in Berlin; es ist das Organ der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung Deutschlands und wird von Helene Lange herausgegeben
- erste Massenpetition (60.000 Unterschriften) des "Allgemeinen Deutschen Frauenvereins" zur Freigabe des Medizinstudiums
- das erste deutsche humanistische Gymnasium für Mädchen wird in Karlsruhe gegründet
- Gründung der "Mädchen- und Frauengruppen für soziale Hilfsarbeit" in Berlin durch Jeanette Schwerin, Minna Cauer, Lina Morgenstern, Henriette Goldschmidt u. a.
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