Pressestimmen

Von der ersten zur letzten Hand
Theorie und Praxis der literarischen Edition

Anke Bosse
IASL ONLINE vom 11.12.2001:

Die publikumswirksame Darbietung - begrenzter Beitragsumfang, reichhaltige Illustrationen - kommt den Zielsetzungen des Sammelbands fraglos zugute:

  • Über das Fachpublikum hinaus wird auf diese Weise ein größerer Interessentenkreis angesprochen.
  • Es wird ein Überblick über die editorischen Leistungen der österreichischen Literaturarchive und der österreichischen Germanistik seit fast 200 Jahren geboten (Fetz / Kastberger, S. 6), und zwar in Form einer "kritische[n] Sichtung des Vorliegenden", einer "Beschreibung des Status quo" und einer "Präsentation von Projekten" (Wendelin Schmidt-Dengler, S. 7).
  • Es soll explizit kein "Rechenschaftsbericht" oder eine "Leistungsschau" (ebd.) vorlegt werden. Aber es geht durchaus darum, die noch anstehenden Aufgaben zu umreißen: also darum, auch die jüngere Forschergeneration für das Edieren zu gewinnen und damit Kontinuität zu sichern (S. 8), darum, die in diesem Band erstmals dokumentierte Koordination zwischen Archiven, Handschriftensammlungen und Lehrenden an Universitäten in Zukunft zu verstärken (S. 10) und darum, insbesondere die (ökonomische) Förderung editorischer Unternehmungen auch in Hinkunft zu intensivieren (ebd.).

Dem breiten Publikum, vor allem aber den für Förderung Verantwortlichen gegenüber kann gar nicht oft genug betont werden, was Wendelin Schmidt-Dengler eingangs zu bedenken gibt:

Die Befassung mit Ausgaben hat immer Konjunktur, denn Bedarf für sie gibt es weit über die Fachgrenzen hinaus, und nirgends lassen sich die Standards im Umgang mit der literarischen Tradition eines Landes so deutlich und genau bestimmen wie durch das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein fachmännisch besorgter Editionen von Werken namhafter Autorinnen und Autoren. (S. 7)

Wie der vorliegende Band zeigt: In Österreich hat man hier Beachtliches geleistet. Doch sind Editoren wie fördernde Institutionen und Personen weiterhin in der Verantwortung, wenn man sich vor Augen hält, was projektiert ist bzw. noch ganz aussteht.

Bodo Plachta
editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft, Nr. 15, 2001:

Seit seiner Gründung im Jahre 1996 hat das Österreichische Literaturarchiv in beeindruckender Weise die Diskussion unter österreichischen Editoren vorangebracht. Mit dem Magazin Profile (s. editio 12, 1998, S. 199f.) und einer eigenen Buchreihe hat das Archiv zwei wichtige, hervorragend ausgestattete und mit zahlreichen (vielfach farbigen) Faksimiles versehene Publikationsreihen zur Verfügung, die nicht ausschließlich für die Fachwissenschaft gedacht sind, sondern durchaus in der Lage sind, eine breitere Öffentlichkeit anzusprechen und damit auch Nicht-Fachleute an editorische Arbeit heranzuführen. Gleichzeitig wird den österreichischen Editoren ein Forum gegeben, in dem sie ihre Arbeitsergebnisse präsentieren und zur Diskussion stellen können. (...)
Insgesamt ist mit diesem Band ein wichtiger Einblick in die lebendige und vielfältige Editionslandschaft Österreichs gelungen, so daß zu hoffen bleibt, daß sich diese Editionen in Zukunft noch stärker als bisher an der editorischen Diskussion beteiligen werden.

Reinschrift des Lebens
Friederike Mayröckers "Reise durch die Nacht"

Peter Reichenbach
literaturkritik.de (Marburg) im Juni 2001:

Klaus Kastberger legt ein beeindruckend umfangreiches, philologisches Buch vor. (...)
Seine Stärke ist die überzeugende Wissenschaftlichkeit in seinem Vorgehen und seinen Aussagen.

Dirk Göttsche
editio. Internationales Jahrbuch für Editionswissenschaft, Nr. 15, 2001:

Tatsächlich gibt Kastbergers Arbeit einen vorzüglichen Einblick in den literarischen Arbeitsprozeß einer wichtigen deutschsprachigen Gegenwartsautorin, deren sprachreflexives und sprachspielerisches Schreiben eben nicht auf ein kontrolliertes literarisches "Experiment" reduziert werden kann. Auf der Grundlage des im 1988 eingerichteten Friederike-Mayröcker-Archiv in der Handschriftensammlung der Wiener Stadt- und Landesbibliothek als 'Nachlaß zu Lebzeiten' vorhandenen Materials rekonstruiert Kastberger in Edition und Kommentar die Genese der Reise durch die Nacht (1984), in der Mayröcker - ausgehend von ihrer Auseinandersetzung mit Leben und Werk Francisco de Goyas - vor dem autobiographischen Hintergrund einer Reise von Paris nach Wien eine "die ganze Existenz umgreifende 'Lebensreise'" entwirft und reflektiert (S. 106). Die edierten, von der Autorin zur Verfügung gestellten Materialien dokumentieren eine komplexe Entstehungsgeschichte, die in einem mehrstufigen Prozeß der Ausweitung und Reduktion von zwei frühen, separat publizierten Fragmenten (1982) zunächst zu zwei sukzessiven Materialsammlungen läuft, deren Ertrag dann in einer Reinschrift zusammengeführt wird, die über eine bearbeitete Druckvorlage Grundlage der Buchpublikation wird. Kastbergers besonderes Erkenntnisinteresse gilt dem "Umschlag von Textgenese in Textästhetik" (S. 58), d.h. den Rückwirkungen der Textentstehung auf die Textstruktur im Prozeß einer autorspezifischen Schreibarbeit, die zum einen sprachlich-konkret auf das jeweils bereits Entstandene reagiert (also nie creatio ex nihilo ist, S. 70), zum anderen das autoreflexive Nachdenken über die literarische Arbeit in den Text integriert, "die Herstellung von Poesie und ihre Kommentierung" also "in einer unauflösbaren Spiegelung" miteinander verschmilzt (S. 22). (...)
Das Buch gibt in seiner eigentümlichen Verbindung von "Edition und Analyse" einen faszinierenden Einblick in Mayröckers literarische Arbeitsweise und macht diesbezüglich wertvolles Archivmaterial in zuverlässiger Form allgemein zugänglich.

Ernst Fischer
Texte und Materialien

Ulrich Weinzierl
Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14.6.2000:

Der Österreicher Ernst Fischer ist erstaunlich viel gewesen: Er war Romantiker und Rebell, er war Poet, Politiker, Publizist und Philosoph. Er war Sozialdemokrat und Stalinist. (...) Als Vordenker und Sprecher eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz aber sollte der späte Ketzer in den Siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts fast zu einer Kultfigur der intellektuellen Linken avancieren.
Für die (...) Schar historisch Denkender ist das sorgsam edierte Buch (...) ebenso anregend wie berührend. Da entdeckt man eine Menge aufschlußreicher, keineswegs unkritischer Analysen von Fischers Wirken (...) Am schönsten freilich wirken die sozusagen privaten Beiträge (...) Nicht minder lesenswert sind die Auszüge aus den sehr herzlichen Briefwechseln mit John Berger und Georg Lukács.

Paul Jandl
Neue Zürcher Zeitung vom 15./16. Juli 2000:

Ernst Fischer, der mit dem vorliegenden Band eine überzeugende Würdigung erfährt, war ein "hegelianischer Humanist" (Terry Eagleton), für den das wahre Remedium unseliger Zeiten unverrückbar feststand: Kunst und Sozialismus.


last update 07.08.2012