1723 | Die Barocke Welt im Großen Saal

Der entscheidende Einschnitt in der Geschichte der Hofbibliothek fällt ins 18. Jahrhundert. Kaiser Karl VI. (1685 - 1740) veranlasste 1722 den Bau einer Bibliothek am heutigen Josefsplatz – damals hieß er Tummelplatz, weil sich hier die Reitpferde des Hofes tummelten – und er verwirklichte damit nach der Beendigung des Spanischen Erbfolgekrieges und der Türkenkriege ein Bauvorhaben, das bereits sein Vater Leopold I. geplant hatte. Nach den Plänen Johann Bernhard Fischer von Erlachs wurde die Bibliothek von seinem Sohn, Joseph Emanuel Fischer von Erlach in den Jahren 1723 – 1726 errichtet. Bis 1730 zogen sich noch die Ausstattungsarbeiten und vor allem die Freskenmalereien im Prunksaal hin, ehe die Hofbibliothek in diesem imperialen barocken Saal ihre wirkliche und erste Heimstatt fand.

Der Prunksaal nimmt die ganze Front des Josefsplatzes ein und misst in der Länge 77,7 m, in der Breite 14,2 m und in der Höhe 19,6 m. Die Kunsttheoretiker unserer Zeit haben die harmonischen Verhältnisse von Fischers Architektur längst festgestellt und auf die Beziehungen von Musik und Architektur verwiesen:

"So verwundert es nicht, daß der vermutlich letzte der von Fischer von Erlach entworfenen Innenräume, der Prunksaal der ehemaligen Hofbibliothek in Wien, in seinen Proportionen durch einfachste musikalische Zahlenverhältnisse bestimmt wird. Die Gesamtlänge der langgestreckten, von einem querovalen Kuppelraum unterbrochenen Galerie mißt 240 Wiener Schuh, ihre Breite 45, die Höhe des Tonnengewölbes 60, jene der Kuppel 90 Schuh; die Grundrißausdehnungen des Kuppelraumes betragen 54 x 90 Schuh."

(Paul Naredi-Rainer: Johann Bernhard Fischer von Erlach und Johann Joseph Fux. Beziehungen zwischen Architektur und Musik im österreichischen Barock.- In: Kunsthistorisches Jahrbuch 1993. S. 275-290; S. 276.)

Zwei Langhäuser und ein zentraler Mittelrisalit mit einer Kuppelbekrönung, die eine Höhe von 29,2m erreicht, geben dem Raum eine dreiteilige Struktur, die sich auch im Bildprogramm ausdrückt. Im heutigen Eingangsflügel behandeln die von Daniel Gran gemalten Fresken Themen der Welt und des Krieges, während im hinteren, an die Hofburg angrenzenden Flügel mit dem ursprünglichen Zugang für den Kaiser und den Hof allegorische Darstellungen des Himmels und des Friedens dargestellt sind. In der Kuppel selbst sind die Apotheose Karls VI. und die allegorische Geschichte der Erbauung der Bibliothek dargestellt. Wer je diesen Saal betreten hat, in dem sich die Architektur, die Malerei und die Bücherschränke zu einem Gesamtkunstwerk verbinden, begreift besser als durch jedes Studium das universale Weltbild des Barock.

Von 1730 bis ins 19. Jahrhundert beherbergte der Bibliothekssaal mit seinen Seitenkabinetten sämtliche Handschriften, Inkunabeln, Druckschriften, Landkarten, Globen, Musikhandschriften, Notendrucke, Autographen, Handzeichnungen und Druckgrafiken der Hofbibliothek. Zu den wertvollsten Beständen gehört die Bibliothek des Prinzen Eugen von Savoyen mit etwa 15.000 Bänden, die nach seinem Tod 1737 gekauft und im Mitteloval des Saales aufgestellt wurde. Prinz Eugen, der große Feldherr des österreichischen Heldenzeitalters, war einer der bedeutendsten Büchersammler seiner Zeit und hatte in wenigen Jahren auf Kunstauktionen und durch private Vermittler in ganz Europa wertvollste Bücher und Handschriften vor allem aus dem französischen und italienischen Raum kaufen lassen. Im Prunksaal befinden sich heute die Druckwerke seiner Bibliothek, eingebunden in rotes, gelbes und blaues Maroquinleder und versehen mit einem Supralibros, das das Wappen des Prinzen Eugen zeigt.

Insgesamt werden im Saal etwa 200.000 Bücher, datierend vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, aufbewahrt. Die ideengeschichtliche und wenn man so will auch die kulturpolitische Funktion der Hofbibliothek wird besonders deutlich, wenn man in den zeitgenössischen Reiseberichten blättert. Zumeist sieht man hier die Außenfassade des Gebäudes abgebildet und im Text ist die Rede von der Figur des Kaisers im Zentrum des Saales und von den wunderbaren Fresken Daniel Grans. Wir erfahren auch, dass die Bibliothek vormittags von 8 bis 12 Uhr geöffnet war, man in einem Nebenzimmer lesen konnte und allerhöchste Besucher durch den Großen Saal geführt wurden. In erster Linie ist also die Hofbibliothek des 18. Jahrhunderts ein Ort, den durchreisende Gelehrte und Diplomaten besuchten, ein Schauraum im Dienste der kaiserlichen Repräsentation.

Johann B. Fischer v. Erlach

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Josef E. Fischer v. Erlach

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Daniel Gran

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Prinz Eugen

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last update 03.02.2012