An alle Hausherren in Wien

Offener Brief an alle Hausherren in Wien. Von Julius Neidl. - Wien : Druck von A. Pichler's Witwe, [s.a. 1848].

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 308.482-B.Alt-Mag

Detailinformation

Mit einiger Verzögerung gegenüber anderen Regionen Europas bekam auch Wien die Folgen der Industrialisierung zu spüren. Die starke Zuwanderung aus ländlichen Gebieten, der die Stadt nicht gewachsen war, führte zu Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot. War die Bevölkerung Wiens von der ersten Volkszählung 1754 bis 1800 von über 175.000 auf 231.000 gestiegen, war sie zwischen 1800 und 1846 (also im gleichen Zeitraum von 46 Jahren) auf knapp 411.000 in die Höhe geschnellt. Daß der Wohnngsbau hier nicht mithalten konnte und die Mieten daher dementsprechen teuer waren, läßt sich leicht vorstellen. Einige strenge Winter, trockene Sommer und Mißernten hatten in den Jahren vor 1848 in vielen Gegenden Europas zu Hungersnöten geführt, und die steigenden Lebensmittelpreise trugen zum Elend der Wiener Arbeiter bei.

In seinem im Revolutionsjahr erschienenen Offenen Brief schildert der Autor das Elend der Familien, die die hohen Wohnungskosten nur durch zusätzliche Nachtarbeit bestreiten können. Er ruft die Wiener Hausbesitzer dazu auf, die horrenden Mietzinsen endlich um ein Drittel zu senken, denn: "Ihr Kapital unterliegt keinem Verluste, Sie verdoppeln dasselbe ohne die geringste Bemühung, ohne das mindeste Risiko, Sie können daher auch die Prozente mäßiger berechnen [...] Aber bald, meine Herrn, bald! Schnell geholfen, ist doppelt geholfen!"


last update 03.02.2012