Ein Narrennest

Narrennest im Baum

[Abraham a Sancta Clara:] Wunderlicher Traum. Von einem grossen Narren-Nest / Welches Gaudentius Hilarion wider alles Verhoffen gefunden / und außgenommen / Allen respectivè gutmeinenden Gemüthern / die da ein sittliche Lehr / sambt einer ersprießlichen Zeit-Vertreibung nicht weigeren / Für eine neuen Jahrs-Schanckung / mit gebührender Unterthänigkeit offeriret / Von Johann Paul Wilhelm / Kayserl. Obrist- Hof- und General- Erb- Land Post- Ambts- Frey- Briefftragern. - Gedruckt in Wienn : Bey Johann Van Ghelen, Kayserl. Italiänischen Hoff-Buchdruckern, 1703.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 308.669-A.Alt-Mag

Detailinformation

Zwölf Typen von Narren sind es, die Abraham a Sancta Clara in seinem Narren-Nest vorstellt. Er steht damit in der Tradition der Narrenliteratur, die menschliche Schwäche, Torheit und Laster karikiert und mit dieser satirischen Erzählweise eine moralische Botschaft verknüpft. Zu jedem Narrentyp liefert der berühmte Prediger einige Beispiele, wobei historische Persönlichkeiten ebenso schlecht wegkommen wie die einfachen Leute seiner Zeit: Kaiser Caligula, der sich aus Angst vor einem Gewitter unter dem Bett verkriecht, ist ein genauso „forchtsamer Narr“ wie der Handwerksbursch, der von Wien nach Wiener Neustadt reist und sich dabei von einem Teufel verfolgt fühlt. Auch ein christlicher Herrscher wie der sinnlos grausame römisch-deutsche König Wenzel, der einen ungeschickten Koch am Spieß braten lässt, oder gar ein Prophet wie Jonas, der sich wütend den Tod wünscht, weil die ihm Schatten spendende Kürbisstaude verdorrt, kann ein „zorniger Narr“ sein.

Die „lobwürdigen“ Narren, deren Beschreibung Abraham an den Schluss seiner Aufzählung stellt, sind jene Heiligen, die wegen ihrer Askese, besonderen Bescheidenheit oder Ablehnung weltlicher Würden vom Volk für närrisch gehalten wurden  - „solche Narrheit aber war bei GOtt ein Weißheit“.


last update 03.02.2012