Die Zeit der klaren Ansagen

Berliner Offensive: Die Branche diskutiert, wie sie innovationsstark bleiben kann – und attackiert die Allmacht der internationalen Konkurrenz. Die Argumente wirken: Die Politik will sich mehr um Fair-Play-Regeln kümmern.

Ein paar Stunden danach ist Hubert Burda auf Platz 1. Bei Google. „Hubert Burda“ und die „zeitgemäße Straßenverkehrsordnung“ für die digitale Welt sind ein Top-Treffer. Irgendwie passen Platzierung und Ort. Die zentrale Botschaft der Zeitschriftentage macht nicht nur Reichweite im Netz. Sie läuft zudem über die Plattform des amerikanischen Internetkonzerns, der sich neben der Politik durchaus auch direkt angesprochen fühlen soll.

„Wir brauchen eine zeitgemäße Straßenverkehrsordnung auf dem digitalen Highway“, sagt VDZ-Präsident Burda: „Wenn wir deutschen Verleger unseren schweren Rucksack mit den alten Regeln ablegen und so frei laufen können wie amerikanische Wettbewerber, werden wir zu den Gewinnern gehören.“

Er hätte auch sagen können: Wir wissen, was wir wollen – und klein machen gilt nicht. Die alljährliche Zusammenkunft von mehreren Hundert Medienmachern der Zeitschriftenbranche ist Standard und Pflicht. Aber selbst alte Hasen registrieren diesmal einen besonderen Spirit auf dem Treffen in Berlin. „Vor zwei, drei Jahren waren unsere Vorstellungen noch etwas nebulös, wie und was die Politik für eine gute Zukunft der Medienhäuser regeln sollte“, sagt Stefan Schlegel, Geschäftsführer des Fachmedienhauses VDE Verlag: „Aber jetzt sind wir absolut klar, wo der Zug lang fahren muss.“

Die Agenda der klaren Ansagen entwickelt Verbandspräsident Burda in knapp fünfzehn Minuten mit Kanzlerin Angela Merkel als Gast in der ersten Reihe. Er fordert ein modernes Kartellrecht: „Es ist nicht mehr zeitgemäß, Marktanteile ohne Berücksichtigung der Online-Welt zu addieren.“ Er pocht erneut auf ein Leistungsschutzrecht und auf faire Datenschutzregeln: „Denn viele internationale Konkurrenten entziehen sich geschickt der Kontrolle durch ihre Standorte im Ausland.“ Und Burda kämpft für Netzneutralität: „Es kann nicht sein, dass Google als Suchmaschinen-Monopolist die Online-Ideen von Verlagen einfach scannen, kopieren und sich dann mit einem eigenen Angebot in der Trefferliste davor setzen kann.“

Die Antwort der Kanzlerin macht den versammelten Medienmanagern Hoffnung. Sie sagt: „Wir werden national vieles tun, was ihre digitale Straßenverkehrsordnung in Zukunft verbessert.“ Merkel verspricht, das Leistungsschutzrecht umzusetzen und Fusionen im Pressemarkt zu erleichtern. Eine Einschränkung fällt allerdings. „Ich werde länger daran arbeiten müssen, bis international überall die gleichen Regeln gelten.“

Womöglich unterschätzt sie hier und dort den Mut des Parlaments, national mit einem neuen Ordnungsrahmen voranzugehen. Das mit Regierungs- und Oppositionspolitikern besetzte Panel offenbart einen breiten Konsens, gerade die Netzneutralität gesetzlich zu verankern. Der SDP-Politiker Frank Zimmermann sagt: „Ich halte einen nationalen Vorstoß für aussichtsreich, um auch zu europäischen Regeln zu kommen.“ FDP-Kollege Burkhardt Müller-Sönsken springt ihm bei: „Netzneutralität steht auch für uns ganz weit oben auf dem Maßnahmenkatalog – alles andere bedeutet weniger Vielfalt und weniger Wettbewerb.“

Egal, wie stark die Politik in den nächsten Monaten hilft – die Branche macht in den zwei Berliner Tagen den selbstbewussten Eindruck, auf jeden Fall weiter in der Champions League mitzuspielen. Das digitale Geschäft wächst rasant in den meisten Häuser. Die Erfolgsformel der deutschen Industrie, wonach man in Deutschland verwurzelt, aber weltweit vernetzt ist, gilt längst auch für die Medienbranche.

Noch wichtiger als die aktuelle Statistik ist der wahrnehmbare Gesinnungswandel. Die eher fruchtlosen Debatten vergangener Jahre – ob Print wirkt oder stirbt, ob die iPad-App Apples gutes Werk oder Teufels Beitrag ist – weichen einer ganz grundsätzlichen Erkenntnis: Die Zukunftsfähigkeit hängt am unternehmerischen Mut und der eigenen Innovationskraft. Das Personal gilt als Schlüssel dafür. „Das Wichtigste ist, dass wir die genialsten Köpfe und kreativsten Macher für uns gewinnen“, sagt G+J-Verlagsgeschäftsführerin Julia Jäkel. Ihr Credo: „In der Bude muss Schmiss sein.“

Es spricht Bände, dass der anschließende Workshop zur Talentgewinnung hohen Zulauf hat. Die Verlage spüren inzwischen, dass die geburtenschwachen Jahrgänge einfach weniger Bewerber bringen und dass sie sich als Arbeitgeber gegen neue, oftmals internationale IT-und Internetkonkurrenten behaupten müssen. Und die Selbständigkeit gewinnt in den Reihen der sogenannten Generation Y viel mehr Fans als früher. „Wir müssen die jungen Leute überzeugen, dass wir keine Branche sind, die strukturell unter Druck ist und vermeintlich keine Gegenmaßnahmen hat“, sagt Alexander Schmid-Lossberg, Personalleiter bei Axel Springer.

Auch der Standort spielt eine zunehmend wichtigere Rolle. Vor allem Berlin zieht im Moment – bei Kandidaten und Unternehmen. „Über die Hauptstadt wird im In- und Ausland unglaublich gut gesprochen“, erzählt Verleger Hubert Burda. „Ich weiß, dass München deshalb sehr unruhig ist.“ Ab hier muss er sich die klare Agenda verkneifen. So ist das als überparteilicher VDZ-Präsident.

Der Autor
Dirk Horstkötter berichtet als Journalist über Politik und Wirtschaft. Für die Wirtschaftsmagazine Capital und Impulse war er zehn Jahre im Hauptstadtbüro tätig. Inzwischen verfolgt er das politische Berlin mit einem eigenen Redaktionsbüro.

 


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