"Eine hochsensible Entwicklung"

Zum Jahresende wird Wolfgang Fürstner, 67, sein Amt als Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) niederlegen. Die Nachfolge tritt dann der ehemalige IDG-Manager Stephan Scherzer an. Der Wechsel fällt in eine turbulente Zeit.

Wir sprachen mit Wolfgang Fürstner, der insgesamt 33 Jahre für den VDZ tätig war und 15 Jahre als Hauptgeschäftsführer fungierte, über die aktuellen Herausforderungen der Magazinbranche, mögliche neue Werbeverbote und die Auseinandersetzungen der Verleger mit Internetkonzernen und den öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten.

nb: Herr Fürstner, die Magazinverlage stehen in der sich deutlich verändernden Medienwelt stark unter Druck. Welche Perspektiven haben gedruckte Zeitschriften künftig noch im Werbe- und Vertriebsmarkt?

Fürstner: Aus Ihrer Frage klingt mir ein bisschen Pessimismus heraus. Ich glaube, dass die Zeitschriften in der Kommunikation eine große Zukunft haben. Allerdings unter veränderten Rahmenbedingungen. Die gedruckte Zeitschrift bleibt die Königin der Medien, weil sie in idealer Weise die schnellen Nachrichten erklärt, einordnet und ein unverzichtbarer Kompass für die immer komplizierter werdende Welt ist. Darüber findet sie natürlich auch in der digitalen Welt eigene Formate und transportiert mit ihrer starken Marke schnelle, digitale Information in neuen Kanälen und macht diese zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Zukunft der Zeitschriften jetzt erst richtig beginnt.

nb: Aber das gedruckte Medium wird künftig an Bedeutung verlieren...

Fürstner: Es wird an Auflage verlieren, aber nicht an Bedeutung. Weil die gedruckte Kommunikation auch künftig die nachhaltigste Form der Kommunikation bleibt. Alles, was elektronisch verbreitet wird, ist das schnelle Medium, aber auch das schnell verbrauchte Medium. Zeitungen und Zeitschriften sind hingegen Medien, in denen man nachlesen und auch entschleunigen kann. Diese Form der Kommunikation ist unverzichtbar, um die Ernsthaftigkeit einer Information auch überprüfen zu können.

nb: Die Medienunternehmer haben nach meiner Ansicht in den Neunziger Jahren einen großen Fehler gemacht, indem sie im Internet allein auf Reichweite gesetzt haben. Nur dadurch konnte sich die Gratiskultur entwickeln, die den Verlagen und anderen Medienanbietern heute so zu schaffen macht.

Fürstner: Herr Scharninghausen, ich folge Ihrer Analyse nicht, dass der Fehler in dem damaligen Verhalten der Verlage lag. Es liegt in der Natur des Internets, dass es von seinem Grundverständnis her ein kostenloses Massenmedium ist. Es war damals nicht einfach, mit dieser neuen digitalen Welt umzugehen, und viele Medienanbieter haben sich gefragt, ob es besser ist, zunächst für Reichweite zu sorgen oder gleich zu versuchen, Geld in die Kasse zu holen. Aus der heutigen Sicht ist die Antwort einfach, aber in der damaligen Betrachtung war sie ungeheuer schwierig, und ich glaube, die Verlage haben aus ihrer damaligen Situation das Allerbeste gemacht. Deshalb stehen sie heute auch relativ gut da.

nb: Bietet der wachsende Mobile-Bereich für die Verlage heute bessere Chancen, um Erlöse im digitalen Markt zu generieren?

Fürstner: Der Mobile-Markt wächst enorm und wird unserem Kommunikationsverhalten einen massiven Schub geben. Davon werden auch die Verlage profitieren. Heute nutzen bereits viele Mobile- User auf ihren Geräten kostenpflichtige Zeitschriften-Apps, und die Zahlen werden in Zukunft noch erheblich steigen. Ich sehe angesichts des Mobile-Booms aber noch einen weiteren Trend, von dem die Verlage profitieren. Parallel zur Nutzung der schnellen Medien entwickelt sich nämlich ein immer stärkeres Bedürfnis nach 'Entschleunigung'. Schauen Sie sich den Erfolg von 'Landlust' oder ähnlichen Magazinen an. Diese Titel profitieren in unserer hektischen digitalen Welt von der wachsenden Sehnsucht nach Vertrautheit, Heimat und Sicherheit.

nb: Im Internet stehen die deutschen Verleger einer großen Marktmacht amerikanischer Konzerne wie Google und Facebook gegenüber, die ihre Stärke auch rücksichtslos ausnutzen. Ist die Politik gefordert, um die Dominanz dieser Unternehmen zumindest hierzulande etwas einzudämmen?

Fürstner: Mit ihrer Frage berühren Sie eine hochsensible Entwicklung: Ja, wir haben es mit Mega-Konzernen zu tun, die faktische Monopolisten sind. Bei aller Faszination, die die Aktivitäten dieser Unternehmen ausüben, müssen wir auch die Sorge haben, dass ihre Monopolstellung den Wettbewerb behindert – gewollt oder nicht. Bleiben wir bei Ihrem Beispiel Google. Das ist heute die einzige relevante Suchmaschine im Markt. Gleichzeitig übt Google über die Such-Algorithmen aber auch Einfluss auf die Inhalte aus, die von der Suchmaschine transportiert werden. So erscheinen im Treffer-Ranking Google-eigene Angebote meist ganz vorn. Hier ist nach meiner Einschätzung mehr Transparenz und Kontrolle nötig. Ich will das Thema nicht weiter vertiefen, denn es ist Gegenstand kartellrechtlicher Überprüfungen. Aber wir sollten auch nicht unbedingt auf den Gesetzgeber warten. Die großen Verlage müssen selbst handeln und sich mit den Googles, Facebooks, TV- und anderen Medienkonzernen an einen Tisch setzen, um gemeinsam Wege zu  iner neuen globalen Medienordnung zu finden. Denn das, was im 20. Jahrhundert an Ordnungssystemen noch völlig ausreichend war, ist heute einfach nicht mehr zeitgemäß.

nb: Juristische Auseinandersetzungen gibt es zwischen den Verlegern und der ARD um deren umstrittene Tagesschau-App für mobile Geräte. Wie bewerten Sie den Fall?

Fürstner: Ich bin nicht sicher, ob man diesem Wettbewerb mit juristischen Mitteln beikommen kann. In Wirklichkeit geht es ja um etwas ganz anderes. Nämlich um die Tatsache, dass wir in Deutschland ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem haben, das mit acht Milliarden Euro Gebührengeldern weltweit das größte ist. Mit dieser enormen Summe liegen ARD und ZDF rund zwei Milliarden Euro über den Gesamtumsätzen der deutschen Zeitschriftenbranche, und die Schere geht immer weiter auseinander. Das Problem ist dabei, dass die für die Medienkontrolle verantwortlichen Politiker diese ordnungspolitische Schieflage nicht verstanden haben oder nicht sehen wollen. Meine Kritik richtet sich also nicht an die Intendanten, die die Expansion ihrer Sender vorantreiben, sondern an die Politiker. Ihnen werfe ich vor, dass sie diese Entwicklung bewusst fördern, weil sie letztlich mehr öffentlich- rechtliche als private Medien wollen. Darin liegt eine ganz große Herausforderung für unser Ordnungssystem.

nb: Der VDZ hat sich über viele Jahre immer wieder gegen Werbeverbote eingesetzt. Welchen Branchen drohen hier in nächster Zeit neue Einschränkungen?

Fürstner: Ich glaube, dass es zurzeit bei der Bundesregierung aber auch in Brüssel ein Grundverständnis gibt, dass es weitere Werbeverbote nicht geben sollte. Aber uns beschäftigt weiterhin die Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln und die ökologisch betriebenen Kennzeichnungsbestrebungen beim Energieverbrauch von Elektroartikeln oder Autos. Ich frage mich allerdings, ob es wirklich sinnvoll und notwendig ist, die Kennzeichnung auf den Werbeanzeigen zu platzieren, oder ob es nicht hinreichend wäre, sie am Produkt selbst vorzunehmen.

nb: Ein wichtiges Forschungsprojekt der Zeitschriftenverlage ist zurzeit der Ad Impact Monitor (AIM)...

Fürstner: Wir hatten Gelegenheit, den Ad Impact Monitor auf dem FIPP-Kongress in Neu Delhi vorzustellen, und die Reaktion der internationalen Verlegerschaft war sehr eindrucksvoll. Es wurde dort festgestellt, dass der AIM eines der weitreichendsten Instrumente zur Nachprüfbarkeit von Medialeistung ist. Und das ist genau der Anspruch, den die werbungtreibenden Unternehmen und die Agenturen von uns erwarten. Denn die Zeiten, in denen Sie – wie Henry Ford einmal sagte – die Hälfte Ihres Werbebudgets zum Fenster hinauswerfen konnten und nur nicht wussten, welche Hälfte, ist endgültig vorbei. Werbung ist heute ein Marketinginstrument, das im Detail überprüfbar sein muss. Hier sind die Zeitschriftenverleger in der Pflicht, und sie haben für sich den Anspruch, genau dieses zu tun, weil sie auch in der Zukunft ein wichtiges Leitmedium bleiben wollen.

nb: Herr Fürstner, Sie sind jetzt seit 33 Jahren beim VDZ und seit 15 Jahren Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Auf welche Erfolge in dieser Zeit blicken Sie besonders gern zurück?

Fürstner: Über Erfolge habe ich wenig nachgedacht, aber ich kann Ihnen sagen: Was mich glücklich macht, ist, dass der Verband heute als eine gewichtige Stimme im Konzert der Medienverbände wahrgenommen wird, und dass der Verband auch nach innen als starke Organisation wahrgenommen wird. Das war keineswegs immer so. Der VDZ hat sich – wie übrigens andere Verbände auch – von einem Honoratiorenverband, der sehr stark regional geprägt war, zu einem schlagkräftigen Verband mit einer zentralen Kraft entwickelt. Worauf ich stolz bin, ist, dass wir mit der VDZ Akademie eine sehr qualifizierte Ausbildungseinheit haben aufbauen können. Was mich auch mit Blick auf die Veränderungen in unserer Gesellschaft stolz macht, ist, dass es gelungen ist, die Deutschlandstiftung Integration trotz beschränkter Mittel doch zu einem Instrument zu machen, das die gesellschaftliche Verantwortung der Zeitschriftenverleger sichtbar macht. Die Stiftung ist ein strategisches Instrument, das auch von der Politik wertgeschätzt wird und das u s die Schnittstelle zur Politik erleichtert hat.

(Interview: Volker Scharninghausen)


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