Fakten und Argumente
Täglich entstehen in deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage Tausende aufwendig produzierte Artikel, die im Internetzeitalter aber in Sekundenschnelle von Dritten ausschnittsweise oder komplett übernommen, verwertet und vermarktet werden können. Dieser kommerziellen Nutzung stehen die Verlage schutzlos gegenüber, denn sie besitzen im Gegensatz zu anderen Werkmittlern wie der Film- und Musikindustrie heute kein Eigentumsrecht an den Früchten ihrer Arbeit.
Im sich rasend weiterentwickelnden Digitalmarkt stellt dies eine erheblichen Wettbewerbsnachteil dar, unter dem nicht nur die Verlage, sondern auch die Journalisten leiden. Denn durch die Nicht-Verfolgbarkeit der Rechtsverletzungen entgeht ihnen bares Geld. Diese Rechtslücke soll das Leistungsschutzrecht für Presseverlage schließen. In der öffentlichen Diskussion über ein zukünftiges Leistungsschutzrecht für Verlage sind immer wieder Befürchtungen geäußert und kritische Fragen aufgeworfen worden. Dies bietet uns Anlass und Gelegenheit, die Position der Verleger in Form der nachfolgenden Antworten zu verdeutlichen.
Schränkt ein Leistungsschutzrecht für Verlage die Informationsfreiheit ein?
Nein. Die Presseverleger erhalten mit Einführung des Leistungsschutzrechtes lediglich das ausschließliche Recht, ihre Presseerzeugnisse und Teile daraus zu vervielfältigen, zu verbreiten und in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. Dies sind die gemeinhin üblichen Verwertungsrechte, die grundsätzlich den Inhabern von Leistungsschutzrechten zustehen. Sie greifen in keiner Weise in die Informationsfreiheit ein.
Da das Leistungsschutzrecht seiner Natur nach Inhalte (Texte, Textausschnitte etc.) nur in ihrer Eigenschaft als Element des Presseerzeugnisses schützt, sind etwaige Befürchtungen unbegründet, es könne Sprache, ja einzelne Worte oder gar Informationen monopolisieren. Weil Inhalte als solche nicht umfasst sind, greift die Weiterverwendung von Texten oder Textteilen ohne erkennbaren Bezug zum Presseerzeugnis nicht in das Leistungsschutzrecht ein.
Das Leistungsschutzrecht der Presseverleger sollte aus Sicht der Verlage die Schrankensystematik des Urheberrechtsgesetzes übernehmen. So werden beispielsweise die erlaubte private Vervielfältigung (§ 53 Abs. 1 UrhG) ebenso wie der Pressespiegel in redaktionellen Medien (§ 49 UrhG) und das Zitatrecht (§ 51 UrhG) nicht angetastet. Zitate sind also wie nach geltendem Recht zum Schutze der Autoren insbesondere dadurch begrenzt, dass sie im Rahmen eines eigenständigen Werkes und mit Belegfunktion erfolgen müssen.
Nicht nur Zitate, auch Links auf die Online-Presse bleiben vom Leistungsschutzrecht unberührt und sind weiter frei. Der Hyperlink ist ein komfortabler Verweis auf ein Presseerzeugnis, selbst aber nicht dessen Vervielfältigung. Die Presseverleger haben nie etwas anderes vorgeschlagen oder erwogen.
Besteht überhaupt eine Gesetzeslücke?
Ja. Den Presseverlagen ist für deren Leistung noch kein eigenes Recht eingeräumt. Sie sind daher bislang gezwungen, aus abgetretenen Rechten (der Urheber) vorzugehen, um ihre eigene Leistung als Werkmittler zu schützen. Dies erschwert den Rechtsschutz erheblich. Im Vergleich zu praktisch allen anderen Kultur- und Medienbranchen, in denen ein Leistungsschutzrecht besteht, ist diese Schutzlücke nicht sachgerecht.
Wenn die geistige, organisatorische und wirtschaftlich-finanzielle Leistung der Presseverleger dennoch bislang keinen gesetzlichen Schutz im Urheberrechtsgesetz gefunden hat, liegt das allein daran, dass in einer rein analogen Welt kein zwingendes Schutzbedürfnis bestand. In dem regelmäßigen Vermarktungszeitraum selbst der Wochen- oder Monatspresse konnte kein Dritter die Leistung des Verlegers in relevanter Weise für sich beanspruchen und ausnutzen. In Zeiten des Internets kann jedoch insbesondere auch die Online-Presse in Sekunden von Dritten ausschnittsweise oder komplett übernommen und in unterschiedlicher Weise verwertet und vermarktet werden. Damit ist das Schutzbedürfnis für den Produzenten der Presse nun wenigstens so groß, wie es schon seit längerem für die Hersteller und Vermittler von Tonträgern, Filmen, Sendungen etc. angenommen wird. Dieses veränderte Schutzbedürfnis allein macht es dringend erforderlich, die Lücke eines fehlenden Leistungsschutzrechtes für Presseverleger zu schließen.
Ist die Einführung eines Leistungsschutzrechtes erforderlich?
Ja. Verlage können bislang nur aus abgeleiteten Rechten der Urheber gegen Rechtsverletzungen im Internet vorgehen. Da Verlage zum Teil mehrere tausend Journalisten, Fotografen, Grafiker etc. mit oft sehr unterschiedlichen Verträgen beschäftigen, erweist sich die Rechtsverfolgung mit abgeleiteten Rechten, insbesondere bei systematischer Ausnutzung der Presseinhalte durch Dritte, als unrealisierbar.
Der Verlag muss in jedem einzelnen Prozess gegen einen Verletzer das Bestehen ausschließlicher Nutzungsrechte an jedem übernommenen Beitrag beweisen. Das ist aufwendig und scheitert spätestens dann, wenn der Journalist dem Verleger, was jedenfalls im Bereich der Tageszeitungen den gesetzlichen Normalfall darstellt, lediglich einfache Nutzungsrechte eingeräumt hat. Dann ist der Verleger in jedem Einzelfall auf die prozessuale Mitwirkung des Journalisten angewiesen. Das führt bei den massenhaften Rechtsverletzungen zu unüberwindbaren Problemen und nicht selten dazu, auf die Geltendmachung von Rechten ganz verzichten zu müssen, weil Aufwand und Nutzen einer Rechtsverfolgung außer Verhältnis stehen.
Das geltende Recht hilft auch nicht weiter, wenn sich Verleger gegen die Aufnahme ihrer Presseerzeugnisse in digitale Archive wehren wollen. Bei älteren Ausgaben von Tageszeitungen oder Zeitschriften sind die Verfasser häufig nicht mehr auffindbar oder sogar nicht identifizierbar. Der Verleger muss der nicht genehmigten Digitalisierung und Zugänglichmachung seiner Presseerzeugnisse in diesem Fall tatenlos zusehen, ohne dass ihm eine urheberrechtliche Handhabe gegen die Verwertung der Leistungen zusteht, die er in das Entstehen und die Verbreitung des Presseproduktes investiert hat.
Die Digitalisierung führt - um auf das praktische Kernproblem zurück zu kommen - auch dazu, dass unter diesen Umständen die Menge der Fälle nicht mehr bewältigt werden kann. Bei einer ernsthaften Rechtsverfolgung aus abgetretenen Rechten müssten die Verlage in der Regel für jeden Artikel einzeln juristisch vorgehen. Eine mögliche Klageflut wäre die Folge. Genau betrachtet, lassen sich selbst mit einer Klageflut die Urheberrechte nicht wirtschaftlich realisieren. Bei einem eigenen Leistungsschutzrecht wissen die Nutzer, dass sie nach der gesetzlichen Regelung, wie sie heute schon für alle Leistungsschutzrechte besteht, einen Lizenzvertrag mit den Verlegern abschließen müssen.
Die Verlage planen, gewerblichen Nutzern die Vervielfältigung ihrer Webseiten gegen frei abzuschließende Lizenz im Vorhinein zu gestatten. Der Aufbau von entsprechenden Geschäftsmodellen wird durch ein Leistungsschutzrecht erleichtert, da über ein eigenes Recht deutlich einfacher verfügt werden kann als über ein fremdes.
Es geht also um Zweierlei: Erstens um Unterbinden und Verfolgen rechtswidriger Nutzungen. Zweitens um Einräumung rechtsmäßiger Nutzung gegen Zahlung von Lizenzgebühren. Beides wird durch ein Leistungsschutzrecht massiv erleichtert und zukunftsfähig gemacht.
Ist das Leistungsschutzrecht aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt?
Ja. Es wird argumentiert, dass Verlage wirtschaftlich erfolgreich seien und daher ein Leistungsschutzrecht nicht gerechtfertigt wäre. Schon diese Grundannahme ist falsch. Denn auch wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen haben einen Anspruch auf einen angemessenen rechtlichen Rahmen, um ihre Leistungen als originäres Eigentum zu schützen. Das gilt für Branchen wie Sendeunternehmen, Filmproduzenten etc., die über ein gesetzliches Leistungsschutzrecht verfügen, und ist für die Presse nicht anders.
Selbst wenn man annimmt, dass nur wirtschaftliche Probleme ein Leistungsschutzrecht rechtfertigen, sprechen die Fakten für sich. Die zunehmende Gefahr für die freie Presse ist mehr als greifbar. Die Umsätze der Zeitungen, Wochenzeitungen und Publikumszeitschriften sind von circa 14 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf etwa 11 Milliarden Euro im Jahr 2009, also um mehr als 20 Prozent zurückgegangen.
Die Verlagerung der Leserschaft von Print zu Online schreitet voran. Die verkaufte Auflage der Tageszeitungen belief sich im ersten Quartal 2010 auf durchschnittlich 19,45 Millionen Exemplare pro Erscheinungstag, vor zehn Jahren waren es 23,94 Millionen Exemplare. Dabei wurde eine große Zahl von Zeitungs- und Zeitschriftenabonnements in Unternehmen mit dem Hinweis gekündigt, dass die entsprechenden Informationen auf den Onlineseiten der Verlage kostenlos zu finden seien. An eine in dieser Weise kostenlose gewerbliche Nutzung der Presse-Leistungen war aber nie gedacht.
Dass Pressehäuser in anderen Bereichen z.B. bei Internetbörsen- und Communities erfolgreich sind, ändert nichts daran, dass die weitaus meisten redaktionellen Online-Angebote der Verlage ohne eine Querfinanzierung aus dem sonstigen Verlagsgeschäft nicht überlebensfähig wären. Noch werden also die zumeist defizitären journalistischen Online-Angebote der Verlage durch Erlöse der Print-Reichweite getragen. Das wird mit der fortschreitenden Verschiebung der Leseranteile von Print zu Online immer unwirtschaftlicher. Denn die zu erhoffenden Steigerungen der Online-Werbeeinahmen werden die zu befürchtenden Umsatzrückgänge im Print-Bereich nicht ausgleichen können.
Verhindert das Leistungsschutzrecht neue Geschäftsmodelle?
Nein. Weder kann noch soll das Leistungsschutzrecht einen Schutzwall um bestehende oder unter Druck geratene Geschäftsmodelle errichten, im Gegenteil. Die deutschen Verlage wenden sich der Zukunft zu und entwickeln neue Geschäftsmodelle für das Internet. Die Verlage müssen und wollen sich im wirtschaftlichen Wettbewerb durchsetzen und bewähren. Dabei erfolgreich zu sein, liegt in ihrer eigenen Verantwortung. Der Gesetzgeber ist jedoch gehalten, die von ihm verantworteten Rahmenbedingungen für die Möglichkeiten staatsunabhängiger Finanzierung der Presse zu erhalten und, wo nötig, an die veränderten Realitäten anzupassen. Die Schaffung eines relevanten Leistungsschutzrechtes für Presseverleger ist dabei ein wichtiger Baustein. Das Beispiel USA, in dem die Presse in hohem Tempo Auflage, Umsätze und – als Folge davon – Journalisten verliert, zeigt, wie dramatisch der Transformationsprozess verlaufen kann, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird.
Die deutschen Verlage sind entschlossen, solche Entwicklungen hierzulande zu verhindern. Im Zuge dieser Strategie versuchen die Verlage dort, wo es möglich ist, nicht mehr alle Inhalte kostenlos im Internet abzugeben. Sie setzen zuversichtlich darauf, künftig einiges oder sogar vieles von dem verkaufen zu können, was heute noch kostenlos angeboten wird. Dabei wird es unvermeidbar sein, dass Marktpartner für die Online-Presse die Leistungen der Presse und Autoren - anders als heute - angemessen honorieren. Hierzu bekennen sich die Verlage ausdrücklich. Dabei ist es nicht Absicht der Pressehäuser, den Marktpartnern Kosten aufzuzwingen, die sie nicht tragen möchten. Im Gegenteil beabsichtigen die Verlage, professionelle und wertvolle redaktionell-journalistische Inhalte anzubieten, die angenommen oder abgelehnt werden können. Das Online-Geschäft der Zukunft basiert nach den Vorstellungen der Verlage auf Freiwilligkeit ebenso wie bei den Printpublikationen der Gegenwart.
Vor diesem Hintergrund stellt sich allerdings die Frage, ob die Verlage den Verkauf von Inhalten nur auf abgeleiteten Rechten der Autoren aufbauen sollten oder auf einem eigenen Recht, wie ein Leistungsschutzrecht es sein könnte. Die einhellige Ansicht der Presseverlage ist, dass es - wie schon ausgeführt - auf Grund der Besonderheiten des Internets zu erheblichen Verwerfungen führen würde, wenn Online-Geschäftsmodelle auf Dauer nur auf abgeleiteten Rechten basieren würden. Deshalb ist das ohnehin erforderliche Leistungsschutzrecht für Presseverlage auch ein wichtiger Baustein, um die Verlage bei dem Ausbau der Bemühungen zum Verkauf digitaler Presse zu schützen.
Wollen die Verlage den gewerblichen Internetnutzern eine Zwangsabgabe auferlegen?
Nein. Die Verlage planen die Lizenzierung der gewerblichen Nutzung ihrer Webseiten auf Basis von Freiwilligkeit. Sie möchten die Verwertung entweder individuell oder kollektiv in der bewährten Form einer Verwertungsgesellschaft vornehmen.
Beispielsweise könnte die Auswertung eines Leistungsschutzrechtes in etwa wie folgt ablaufen: Auf Basis eines rechtsgültigen und vom Deutschen Patent- und Markenamt zugelassenen Tarifs bietet eine Verwertungsgesellschaft jedem potenziellen gewerblichen Nutzer eine Dienstleistung in Form einer Lizenzvereinbarung an. Wer die Leistung nutzen möchte, stimmt dem Vertragsangebot zu. Wer die Leistung nicht nutzen möchte, lehnt das Angebot ab, zahlt nicht und nutzt nicht.
Werden Journalisten an etwaigen Erlösen beteiligt?
Ja. Verlage und Gewerkschaften vereinbaren verbindlich eine Beteiligung der Journalisten an den Erlösen des Leistungsschutzrechts. Damit fließen den Kreativen neue Erlöse zu. Sie profitieren außerdem indirekt vom Leistungsschutzrecht dadurch, dass Verlage höhere Umsätze erzielen und damit mehr Geld in die Redaktionsbudgets einbringen können.
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