Auswahlkriterien
Auswahlkriterien für Dokumente, Daten und Informationen wurden im Projektverlauf erarbeitet und sollen hier – anhand der einzelnen Kriterien – erläutert und nachvollziehbar gemacht werden.
Inhaltliche Dimensionen von "Frauen in Bewegung: 1918–1938" wurden festgelegt und darauf aufbauend Dokumentations- oder Auswahlkriterien definiert. Das Projektteam entwickelte Kategorien für die dokumentarische Arbeit, nach denen Dokumente und Daten ausgewählt wurden. Somit wurde nach standardisierten und festgelegten Kriterien vorgegangen.
Personen bzw. Vereine/Organisationen
Die Geschichte frauenpolitischer und frauenbewegter Aktivitäten wird entlang der Kategorien „Personen“ und „Frauenorganisationen“ dargestellt. Auswahlkriterien für Personen und Frauenorganisationen waren einerseits die Unterstützung von Fraueninteressen und andererseits die Selbstdeklaration als Teil einer Frauenbewegung. Als Unterstützung von Fraueninteressen wurden im Sinne eines emanzipatorischen Potenzials Forderungen nach Gleichberechtigung der Geschlechter und Thematisierungen von Unrechtserfahrungen, aber auch über diesen Rahmen hinausgehende und weniger offensichtlich frauenfördernde Bestrebungen definiert. Beispiele wären die Organisierung in Frauenvereinen, um gemeinsame Interessen und die Aneignung neuer Frauenräume durch Pionierinnen in neuen Berufsfeldern. Weiters gehören dazu auch Tätigkeitsbereiche und Aktivitäten, die darauf zielten, den Status und die Position von Frauen auf bestimmten begrenzten Gebieten – wie im künstlerischen, im Architektur–, im Bildungsbereich – zu verbessern. Inkludiert ist auch die Veröffentlichung von Schriften in der Frauenpresse oder in Vereinsorganen. Zu denjenigen, die sich selbst als zu einer Frauenbewegung zugehörig bezeichneten, zählten auch konfessionelle Frauenorganisationen und deren Vertreterinnen sowie Frauenorganisationen verschiedener Parteien. Frauengruppierungen und einzelne Individuen konnten nicht hinsichtlich ihrer persönlichen Motive, konkreten Frauenpolitiken und Zielsetzungen überprüft werden. Geschlecht war kein Aufnahmekriterium, auch wenn bisher im Web nur Frauen präsentiert werden.
Personen, Frauenvereine und –organisationen, Frauenzeitschriften und Vereinsorgane, die seit ihrer Gründung antisemitisch oder nationalsozialistisch ausgerichtet waren, wurden hintangestellt. Ihre Zugehörigkeit zu „Frauen in Bewegung: 1918–1938“ steht zur Diskussion. Sehr wohl dokumentiert wurde, dass verschiedene Vereine und Persönlichkeiten, die sich für den Zeitraum vor 1918 eindeutig in einem bürgerlich–liberalen Umfeld verorten lassen, sich für die Zwischenkriegszeit teilweise oder insgesamt eine politische Neuausrichtung gaben. Sie gingen Verbindungen zu Deutschnationalen und zum autoritären Regime der Vaterländischen Front ein, hatten Funktionärinnen der Großdeutschen Partei im Vereinsvorstand usw. Ob es sich bei den aufgenommenen Personen und Frauenorganisationen um Aktivistinnen und Organisationen der historischen Frauenbewegung handelt, bleibt also weiterhin zu diskutieren.
Geographisches Auswahlkriterium war das Territorium des heutigen Österreich. Personen, die ihren Lebensmittelpunkt in der Zeit von 1918 bis 1938 zumindest zeitweilig in der Republik Österreich hatten, erfüllten dieses Aufnahmekriterium. Ihre Staatsbürgerschaft war nicht von Bedeutung. Für Vereine war entscheidend, ob sie ihren Sitz in der Republik Österreich hatten. Nach ethnischen Minderheiten wurde recherchiert. Bislang konnten keine diesbezüglichen Frauenorganisationen für diesen Zeitraum ausgemacht werden. Konfessionen wurden ebenfalls in der Recherche berücksichtigt. Aufnahme fanden nach den zuvor beschriebenen Selektionskriterien der Unterstützung von Fraueninteressen oder der Selbstidentifizierung mit einer Frauenbewegung nur katholische und jüdische Frauenorganisationen.
Die Trennung von Wien und Niederösterreich, die bis dahin ein gemeinsames Bundesland bildeten, wurde 1920 im Parlament beschlossen und machte Wien zum eigenen Bundesland. In Folge dessen spalteten sich eine Reihe von Frauenorganisationen in zwei Landesorganisationen auf. Die geographische Zuordnung zu den Bundesländern Wien und Niederösterreich war für den betreffenden Zeitraum mitunter nicht eindeutig zu klären.
Namen
Während der Eigenname bei Männern im Allgemeinen eine lebenslange Konstante bildet, ist er bei Frauen häufig einem Wandel unterworfen. Im Unterschied zum männlichen Geschlecht war und ist der Wechsel der Namensformen bei Frauen bedingt durch Verheiratung, Scheidung oder (unfreiwillig) angenommene Pseudonyme. Diese formellen und teilweise auch informellen Namen sind in unterschiedlichen Kontexten – im beruflichen, gesetzlichen, privaten oder politischen Rahmen – von Bedeutung und haben dort auch ihre Entstehungszusammenhänge. Konkret erfasst wurden Geburtsname, Ehenamen, abweichende Schreibweisen, Abkürzungen, Pseudonyme und Decknamen. Diese Namensänderungen wurden genau erfasst, weil dadurch die Auffindbarkeit der jeweiligen Person gewährleistet wird. Aus demselben Grund wurde auch derjenige Name, unter dem die betreffende Frau öffentlich am bekanntesten war, als Haupt- oder Ansetzungsform gewählt, auf die alle anderen Namensformen verweisen.
Für Vereine/Organisationen wurden als Verweisformen Namensänderungen, andere Schreibweisen, englische Namensformen und Abkürzungen erfasst. Organisationsnamen wurden – so verschiedene Schreibweisen existieren – vereinheitlicht und der heutigen Schreibweise angepasst, um die Suche zu erleichtern. Vereinsnamen änderten sich gerade bei Organisationen, die über viele Jahrzehnte bestanden. Oft waren auch mehrere Namensformen und verschiedene Schreibweisen gleichzeitig in Verwendung. Sich ändernde Namensformen korrespondierten häufig mit sich ändernden Statuten und immer wieder auch mit Neupositionierungen und Umorientierungen der inhaltlichen und politischen Ausrichtung.
Berufe und Tätigkeiten
Dokumentiert wurden berufliche Tätigkeiten im heutigen Verständnis und weitere Aktivitäten und Aufgabenbereiche, die für Frauen dieser Zeit wichtig waren und die sie im Laufe ihres Lebens übernahmen. Viele Frauen gingen noch keiner Erwerbstätigkeit nach, waren aber trotzdem in verschiedenen Bereichen engagiert, die sie teilweise wie eine Berufstätigkeit ausübten. Gemeinnützige Arbeiten und ehrenamtliche Tätigkeiten, wie Wohltätigkeit und Fürsorgeaktivitäten, waren auch in der Ersten Republik ein wichtiges weibliches Betätigungsfeld. Nicht inkludiert wurde die Tätigkeit der Haushaltsführung, da ihr keine Ausweitung weiblicher Handlungsfelder und –optionen zugesprochen wurde, sehr wohl aufgenommen wurden jedoch Funktionen in Vereinen, Parteien und Gewerkschaften.
Für die Benennung der Berufe wurde ¬– soweit möglich – die zeitgenössische Berufsbezeichnung gewählt. Schwierig gestaltete sich dies bei langjährigen Tätigkeiten einzelner Personen, in deren Verlauf sich diese Bezeichnungen wandelten (z.B. von der Fürsorgerin zur Sozialarbeiterin).
Da der Begriff „Frauenrechtlerin“ oder „Frauenrechsaktivistin“ – der in biographischen Nachschlagewerken oft verwendet wird – ein für viele Interpretationen offener ist, wird er nicht unter dieser Kategorie inkludiert. Auf die Zuschreibung dieses Begriffs zu einer bestimmten Person wird in deren Biographie als Zitat und unter Verweis auf die jeweilige Quelle hingewiesen.
Funktionen, FunktionärInnen und Mitgliedschaften
Aufnahme fanden die verschiedenen Funktionen, die eine Person in unterschiedlichen Frauenvereinen und –organisationen übernahm sowie die Aufschlüsselung, welche FunktionärInnen in einer Frauenorganisation – falls bekannt – zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum tätig waren. Wie bereits erwähnt, blieben diese Zugehörigkeiten in Frauenvereinen und –organisationen auf das damalige Territorium Österreichs und auf den Zeitraum von 1918 bis 1938 beschränkt. Zeitliche Ausweitungen gab es dann, wenn Frauenorganisationen darüber hinaus bestanden oder – was weitaus häufiger der Fall war – bereits vor 1918 entstanden waren. Verflechtungen und Beziehungen auf transnationaler Ebene wurden in den Biographien und Organisationsgeschichten festgehalten. Die oft in detektivischer Kleinarbeit erfassten Informationen und Daten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Durch die Aufnahme von Funktionen und FunktionärInnen konnten sich im Laufe der Zeit verändernde Zugehörigkeiten oder gleichzeitige Aktivitäten in verschiedenen Verbänden oder Organisationen dokumentiert werden. Dadurch werden einerseits Einblicke in sich wandelnde politische und persönliche Positionierungen von Individuen oder Organisationen und andererseits Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten mancher dieser Positionen aufgezeigt.
Vernetzungen
Dokumentiert wurde, welche Arten von Zusammenarbeit und Interaktionen zwischen Vereinen und Organisationen bestanden und wie sie sich im Laufe der Zeit veränderten. Es existierten verschiedene Formen von Vernetzungen: Zusammenschlüsse auf Vereinsebene agierten als Bundes- oder Dachverbände, unabhängige Verbände arbeiteten punktuell zu Sachthemen zusammen, Vereine wechselten ihre Verbandszugehörigkeiten und Verbände lösten sich auf oder fusionierten.
Wie bereits erwähnt, blieben diese Vernetzungen von Frauenvereinen und –organisationen auf das damalige Territorium Österreichs beschränkt. Auf transnationale Beziehungen wurde in den Organisationsgeschichten verwiesen.
Biographien bzw. Historische Überblicke
Biographien beruhen auf wissenschaftlichen und historiographischen Aufarbeitungen – der entsprechenden Sekundärliteratur. Falls eine solche nicht eruiert werden konnte, wurde auch auf Artikel der zeitgenössischen Tages- und Frauenpresse – insbesondere Jubiläen und Nachrufe – zurückgegriffen. Manchmal waren auch Archivmaterialien die einzigen Auskunftsquellen. Für die dokumentarische Arbeit war die Forschungsliteratur am wichtigsten und erst darüber hinaus wurden zeitgenössische Dokumente und Archivmaterialien herangezogen. Die Uneinheitlichkeit der Dokumenten– und Quellenlage – beziehungsweise ob zu Personen und Frauenorganisationen überhaupt Informationen auffindbar waren – führte dazu, dass der Umfang der Texte stark variiert.
Das Schreiben der Biographien erfolgte formalisiert. Es wird ein kurzer Einblick in die Chronologie des Lebenslaufs einzelner Personen und ihres beruflichen und familiären Hintergrunds sowie die Darstellung der Geschichte einzelner Frauenvereine und –organisationen geboten. Dokumentiert wurde weiter die Verortung der Vereine oder Personen innerhalb der Organisationsstruktur und Vereinslandschaft sowie Vernetzungen und Verbindungen innerhalb dieser. Ein weiterer Fokus lag auf Zielen, Aufgaben und Themen, welche die Akteurinnen und Vereine auf ihre Agenda setzten und mit denen sie teilweise auch an die Öffentlichkeit traten sowie Positionierungen oder Ausrichtungen, welche die Akteurinnen und Vereine, innerhalb des (weiten) Feldes frauenpolitischer und frauenbewegter Aktivitäten einnahmen.
Publikationen
Bis zur Artikelebene erfasst wurden Publikationen sowie HerausgeberInnenschaften von Personen oder Vereinen – also historische, zeitgenössische Dokumente sowie nachträgliche Veröffentlichungen. Diese Publikationslisten sind unvollständig und insbesondere bei den Artikeln konnte für zahlreiche Personen nur eine Auswahl erfasst werden. Diese wurde einerseits zeitlich auf die Jahre von 1918 bis 1938 und andererseits auf thematische Aspekte rund um Frauenpolitik und frauenbewegte Aktivitäten und Ereignisse beschränkt. Ausgeweitet wurde der Zeitraum für Personen und Vereine dann, wenn über diese ansonsten keine Informationen auffindbar waren.
Quellen und Sekundärliteratur
Bis zur Artikelebene wurden einerseits historische zeitgenössische Dokumente, Berichte und Ereignisse, die in Verbindung zu aufgenommenen Personen und Vereinen stehen, und andererseits Forschungs- oder Sekundärliteratur über die historischen Persönlichkeiten, Vereine und Ereignisse erhoben. Neben den historischen Materialien wurde vor allem die seit den 1980er Jahren publizierte Forschungsliteratur erfasst. An Nachschlagewerken wurden einige ausgewählte exemplarisch angeführt.
Als Sekundärliteratur wurden auch Dokumente aufgenommen, die nur kürzere Erwähnungen und Informationen zu den aufgenommenen Personen und Vereinen liefern. Da diese oft die einzigen, wenn auch bruchstückhaften, Hinweise zu AkteurInnen oder Frauenorganisationen sind. Aufgrund dieser verstreuten Einzeldaten lassen sich dennoch gewisse Aussagen über Personen und Vereine treffen, die ein – wenn auch lückenhaftes und fragmentarisches – Bild ergeben.
Online-Dokumente
Ein Teil der erfassten Dokumente wurde digitalisiert und online als Volltext zugänglich gemacht. Auswahlkriterium dafür war einerseits, dass es sich um Publikationen (der aufgenommenen Personen) und um Vereinsschriften (der aufgenommenen Frauenorganisationen) handelt und andererseits, dass diese aus den historischen Druckschriften-Beständen der Österreichischen Nationalbibliothek stammen und urheberrechtlich frei sind. Soweit es das Urheberrecht erlaubt, wurden Digitalisierungen für den Zeitraum bis 1938 vorgenommen. Bei einer Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod der UrheberIn können viele Dokumente aus diesem Zeitraum noch nicht digitalisiert werden. Nicht ganz einfach zu erheben ist die urheberrechtliche Situation dann, wenn die Lebensdaten einer Person ungeklärt oder unbekannt sind. Die Schutzfrist ist der Grund, warum im Unterschied zum Zeitraum bis 1918 bislang kaum AutorInnenwerke digitalisiert werden konnten.
Zusammen mit den Digitalisaten aus dem Vorläuferprojekt „Frauen in Bewegung: 1848-1918“ bilden die digitalisierten Dokumente ein Online-Dokumentenarchiv, das inzwischen eine große Zahl an Monographien und Periodika beinhaltet. Diese Kollektion wird seit 2002 in Zusammenarbeit mit Austrian Literature Online ( ALO) und AustriaN Newspapers Online ( ANNO) präsentiert.
Material in Archiven und Sammlungen
Recherchiert wurden archivalische Quellen zu Personen, Frauenorganisationen und Bildungseinrichtungen im Kontext frauenpolitischer und frauenbewegter Aktivitäten der Zwischenkriegszeit. Dafür wurden im Wesentlichen die Vereinsbestände oder Vereinskataster der jeweiligen Archive, personenbezogene Sammlungen und Nachlassverzeichnisse sowie Akten und Bestände von relevanten Institutionsgründungen gesichtet. Erhoben wurde, in welchen Sammlungen, Bibliotheken und Archiven Dokumente und Bestände vorhanden sind, welche für die Frauen(bewegungs)geschichte in Österreich von 1918 bis 1938 von Relevanz sind. In den Archiven wurde die Recherche mit 1900 begonnen, da ab dieser Zeit überregionale Frauenvereinigungen, wie Frauenbildungsinitiativen, aber auch Frauenberufsvereinigungen entstanden, die teilweise auch nach 1918 von Bedeutung waren. Gezielt wurde dabei nach Materialien in den Bundesländern recherchiert. Die Erhebung der Bestände über ganz Österreich ist noch nicht abgeschlossen.
Gesichtet wurden die Landesbibliotheken und –archive, die Diözesanarchive, sowie einzelne Stadtarchive der Landeshauptstädte und Landesmuseen von Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Oberösterreich, Steiermark und Burgenland, die Österreichische Nationalbibliothek, die Universitätsbibliotheken, die Sammlung Frauennachlässe am Institut für Geschichte der Universität Wien, die Wienbibliothek im Rathaus, der Verein für die Geschichte der Arbeiterbewegung und das Russische Staatliche Militärarchiv (Rossiiskii gosudarstvennyi voennyi arkhiv). Nicht gesichtet werden konnten, da nicht zugänglich, die bis heute bestehende Bibliothek und das Archiv des 1902 gegründeten Bundes Österreichischer Frauenvereine mit einem bedeutenden Bestand an Dokumenten der österreichischen bürgerlichen Frauenbewegung.
Bilder
Auswahlkriterium für die Bilder war ein Zusammenhang mit aufgenommenen Personen oder Vereinen. Einerseits sind dies Abbildungen der in das Webportal aufgenommenen Personen und Frauenorganisationen oder ihrer Tätigkeitsfelder sowie einige wenige Abbildungen von Denkmälern und Gemälden. Andererseits sind dies Plakate, die von Frauenorganisationen herausgegeben wurden oder diese, sowie aufgenommene Personen, namentlich nennen. Sowohl die Fotografien als auch die Plakate sind als digitalisierte Bilddokumente im Web zugänglich. Die Bilddokumente stammen aus den Bildarchiv- und Plakatesammlungsbeständen der Österreichischen Nationalbibliothek sowie aus Büchern, historischen Frauenzeitschriften und dem WWW.
Portraits zu den erfassten Personen sind der weitaus größte Teil der existierenden Bildquellen und rücken die Einzelpersönlichkeit stark ins Zentrum. Die Suche nach Ereignissen und nach Tätigkeiten, also anderen Bildobjekten, bringt demgegenüber selten Ergebnisse.
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