Das Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek
widmet dem Bibeljahr 2003 eine Sonderausstellung, die zu den
Anfängen der Bibelüberlieferung in Ägypten
führt.
Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt die weltgrößte
Sammlung an Papyri (180.000 Objekte), zahlreiche davon dokumentieren
das frühe Auftreten der Bibel. Eine Auswahl der interessantesten
Stücke wird hier erstmals dem Publikum präsentiert.
Die Objekte geben in ihrer Erscheinungsform, ihrer Ausstattung
und in der sprachlichen Vielfalt einen wunderbaren Einblick
in den Einfluss, den die Bibel im Alltagsleben der frühen
Christen genommen hat. Einigen Aspekten widmet sich diese
Ausstellung, der es vordergründig um die kultur- und
buchgeschichtliche Bedeutung der Bibel geht.
So kann man sehr gut sehen, wie sich die Bibel gleich von
Beginn an im Christentum einer eigenen Buchform bediente,
der bis heute gültigen Codexform, und sich damit nicht
nur von der heidnischen Buchrolle, sondern auch bei den alttestamentlichen
Texten vom Judentum distanzierte.
In einer chronologischen Dokumentation kann diese Entwicklung
parallel zur Geschichte des frühen Christentums bis hin
zu den ersten Prunkexemplaren demonstriert werden, deren prächtigste
Vertreterin die in der Handschriftensammlung der Österreichischen
Nationalbibliothek aufbewahrte Wiener Genesis ist.
In diesem Zusammenhang wird auf die ganz seltenen Belege
vor der Zeit Kaiser Konstantins des Großen (306-337)
hingewiesen, wie den berühmten Chester Beatty-Papyrus
mit dem in Wien aufbewahrten Teil aus dem Matthäus-Evangelium.
Er entstand im 3. Jahrhundert - zu einer Zeit, als das Christentum
je nach der Laune des Kaisers und Statthalters Repressionen
ausgesetzt war und der Besitz einer Bibel das sichere Todesurteil
sein konnte, wie aus Märtyrerakten bekannt ist.
In der Ausstellung werden aber auch Aspekte des Einwirkens
der Bibel in neue Lebensbereiche erstmals aufgezeigt: Mit
dem Christentum wird der alte (heidnische) Kanon von Schulautoren
zwar nicht umgestoßen, doch es dringt nun auch die Bibel
als Schultext in den Unterricht ein. Einige Papyri aus dem
Schulbereich demonstrieren diese Neuerung sehr nachdrücklich.
Der Magie und magischer Praktiken wusste sich das Christentum
durch deren starke Verbreitung und Anwendung nur bedingt zu
erwehren. Zwar konnten gewisse heidnische Praktiken eingestellt
werden, doch das Schutzamulett war auch im Christentum so
beliebt wie eh und je. Mit dem Christentum werden diese Praktiken
zum Teil übernommen, jedoch gewissermaßen "christianisiert".
Größte Heilskraft wird nun nicht einem kryptischen
Zauberspruch, sondern einem biblischen Vers, besonders beliebt
einem Psalmvers zugeschrieben. So haben sich auch Papyri und
Pergamente mit solchen Versen als Schutzamulette erhalten,
die in der Ausstellung zu sehen sein werden.
Eine besondere Form dieser Schutzamulette ist der sogenannte
Miniaturcodex, ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist
in der Ausstellung zu sehen: eine Seite misst hier 4,2 x 6,5
cm.
Mit der Verbreitung der Bibel beginnt die Arbeit an der Bibel
in Form von Exegesen und Dichtungen. Die Papyrussammlung der
ÖNB besitzt als einzige Bibliothek der Welt alle bisher
bekannten und fast zeitgleichen vier Zeugen der frühen
Bibeldichtung des Romanos Melodos (5./6. Jahrhundert), der
seinen festen Platz auch heute noch im orthodoxen Kirchengesang
hat.
Den Einfluss der Bibel auf die Alltagskultur behandelt ein
weiterer Themenschwerpunkt. Gezeigt wird, wie heidnische Szenendarstellungen
auf Stoffen und Kleinobjekten mit dem verstärkten Auftreten
der Christen durch Motive aus der Bibel ersetzt werden. In
der Ausstellung werden bisher noch nie gezeigte Unikate der
Sammlung Tamerit zu sehen sein.
Zu der Ausstellung erscheint ein Katalog zum Preis von
€ 19,90, der im Papyrusmuseum erhältlich ist.
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Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek
(Eingang Heldenplatz)
21. März bis 18. Juli 2003
März - Juni: Mo, Mi - Fr 10 - 17 Uhr
Juli: Mo, Mi - Fr 10 - 16 Uhr
Eintritt: € 3,- / 2,- (ermäßigt)
Führungen nach telefonischer Vereinbarung
unter
Tel.: 01 / 534 10-464, -262 oder -427
E-Mail: harald.froschauer@onb.ac.at,
oeffentlichkeitsarbeit@onb.ac.at
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