Frauen in Bewegung

Allgemeiner Österreichischer Frauenverein

Versammlung des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins (Auguste Fickert in der 1. Reihe, dritte von rechts)
Versammlung des AÖF im großen Saal
des Türkenschanzparks im Juli 1904
aus: Wiener Bilder, 9. Jg., 1904, Nr. 28
Allgemeines:
  • Ort: Wien XVIII, Gentzgasse 6; Beamtinnen-Sektion: Wien XVIII, Schulgasse 59
  • Gründungsversammlung: 28. Jänner 1893 im Sitzungssaal des alten Rathauses in Wien; Vorsitzende der Gründungsversammlung ist Ottilie Turnau; in den Ausschuß werden gewählt: Auguste Fickert, Anna Frisch, Marie Mussil, Amelie Straß, Ottilie Turnau, Marie Völkl, Flora Weinwurm
  • "Als man im Jahre 1889 den steuerzahlenden, selbständigen Frauen in Niederösterreich auch das Gemeindewahlrecht entziehen wollte, nachdem ihnen ein Jahr vorher das Wahlrecht in den Landtag genommen worden war, organisierten einige Lehrerinnen der damaligen Vororte von Wien eine Protestkundgebung, die von Erfolg begleitet war. (Landtagssitzung vom 3. I. 1891.) Aus dieser Stimmrechtsbewegung ging die Gründung des Allg. österr. Frauenvereines hervor, welcher die Frauenfrage in ihrem vollen Umfange erfasste und propagierte."
    (aus: Neues Frauenleben, XV. Jg., Nr. 6, 1903, S. 19, Fußnote von Auguste Fickert)

  • Am 28. Januar 1893 kam es zur Gründung des "Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins"; Auguste Fickert wurde zur Präsidentin gewählt, zur Vizepräsidentin Rosa Mayreder, als Gründungsmitglieder galten u.a. Maria Schwarz, Marie Lang und Marianne Hainisch. Dieser Verein vertrat eine eigene politische Richtung innerhalb der Frauenbewegung; verlangte die staatsbürgerliche Gleichstellung, die Zulassung zu allen Bildungsstätten und Berufsmöglichkeiten für Frauen. Der demokratische Abgeordnete Ferdinand Kronawetter stellte den liberalen Frauen für ihr monatliches Beiblatt (Das) Recht der Frau sein Parteiorgan "Volksstimme" zur Verfügung. Die Frauen wollten sich keiner Partei anschließen, nur in autonomer Arbeit sahen sie eine Möglichkeit, Frauenrechte durchzusetzen. Die zeitweise Zusammenarbeit mit den Sozialdemokratinnen tat der Überparteilichkeit keinen Abbruch. Streng war die Abgrenzung vom bürgerlich-christlichen Lager der Frauenbewegung. 1899 gründeten die liberalen Frauen ihre eigene Zeitschrift. "Die Dokumente der Frauen", herausgegeben von Auguste Fickert, Marie Lang und Rosa Mayreder, brachten regelmäßig Diskussionsbeiträge und Artikel zu Themen der Politik, des Rechts, Fragen der Psychoanalyse etc. Ein sehr niveauvolles Blatt, in dem auch Männer schreiben durften. Am 5.5.1902 schlossen sich die bürgerlichen Frauenvereine zum "Bund österreichischer Frauenvereine" zusammen. die Ziele waren Förderung und Unterstützung ethischer, geistiger, humanitärer, wirtschaftlicher Bestrebungen der Frauenbewegung, Kampf um Gleichberechtigung in Schule, Familie und Erwerbsleben. Diese allgemeinen Formulierungen lassen schon die Spannungen erahnen, die bald zwischen dem Bund und dem Allgemeinen Frauenverein auftraten. Letzterer trat aus dem Bund wieder aus, weil den liberalen Frauen dieser zu unpolitisch war. Daraufhin verließen 24 Mitglieder, darunter auch Marianne Hainisch, den Allgemeinen österreichischen Frauenverein. Als wichtigste Forderung für die liberalen Frauen galt die Erringung des Wahlrechts und der damit verbundenen bürgerlichen Rechte.
    (Aus: Prost, Edith: Weiblichkeit und Bürgertum. In: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst 41.1986, 1, S. 2 - 6)

  • am 5. Jänner 1900 wird in der Spiegelgasse ein Lesezimmer des Vereines eröffnet (mit einem Vortrag von Rosa Mayreder über "Das Weib als Dame"), das aber nach Übernahme der Zeitschrift "Neues Frauenleben" aus finanziellen Gründen aufgegeben wurde; in der Folge wurde von Herrn L. Brunner ein Zimmer seines Lokals, IX., Liechtensteinstrasse 11, zur Benützung überlassen

  • bei der Gründung des "Bundes Österreichischer Frauenvereine" am 5. Mai 1902 zeigen sich bereits erste Unstimmigkeiten mit dem "Allgemeinen Österreichischen Frauenverein": die Kandidaturen können aus Zeitmangel nicht mehr berücksichtigt werden; es wird nur Rosa Mayreder in die Bundesleitung gewählt (diese lehnt die Wahl jedoch ab)
    Auguste Fickert erklärt, dem BÖF nur unter folgenden Bdingungen angehören zu wollen:
    "1. Die Wahlen in die Bundesleitung müssen in der nächsten Generalversammlung statutenmässig vorgenommen werden. 2. Der allg. österr. Frauenverein als Repräsentant der fortschrittlichen Frauenbewegung muss in der Bundesleitung durch eine von ihm kandidierte Funktionärin vertreten sein. 3. Der allg. österr. Frauenverein betont seine volle Bewegungsfreiheit und behält sich vor, in seinem Kreise wie in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen gegen alle Bundesbeschlüsse, welche sich mit den von ihm in der Frauenbewegung vertretenen Prinzipien nicht vereinbaren lassen."
    (aus: Neues Frauenleben, Jg. 14, Nr. 6, 1902, S. 19)

  • die Beamtinnen-Sektion des Vereines wird von Ida Mayer geleitet, die Rechtsschutz-Sektion von E. Semek

  • bei der X. Generalversammlung am 14. März 1903 werden folgende Frauen in die Vereinsleitung gewählt: Auguste Fickert, Adele Gerber, Henriette Herzfelder, Klara Müller, Marie Mussil, Stefanie Nauheimer, Dora Rösler; Rosa Mayreder tritt von ihrer Funktion als Vizepräsidentin zurück

  • anläßlich der zweiten Generalversammlung des BÖF schreibt Auguste Fickert kritisch:
    "In dem kurzen Zeitraum von etwas mehr als einem Jahrzehnt haben die Frauen in Österreich erreicht, was die amerikanischen, englischen und deutschen Frauen sich in zähen, jahrzehntelangen, heissen Kämpfen erringen mussten. Solche leichte Erfolge wirken jedoch keineswegs segensreich. Während die Errungenschaften der Frauenbewegung den Amerikanerinnen, Engländerinnen und Deutschen geistiges und moralisches Besitztum geworden sind, stehen unsere Frauen vor denselben wie Kinder vor einer allzureichen Christbescherung: sie wissen nicht, was sie damit anfangen sollen und gebrauchen die kostbarsten und vortrefflichsten Werkzeuge zum Zeitvertreib als Spiel und Tand.
    Diesem Eindruck kann sich leider heute auch der wohlwollendste Beobachter nicht entziehen, wenn er das oberflächliche Treiben der Jourdamen verfolgt, wie sie mit recht bescheidenen Mitteln an die grossen sozialen Probleme herantreten und sie zu lösen glauben, wenn sie nur einen neuen Verein mit hochtönendem Namen und unerreichbaren Zielen, der oft nicht mehr Mitglieder als Vorstandsdamen zählt, ins Leben gerufen haben.
    Es soll damit nicht behauptet werden, dass wir nicht auch über ernste Frauen verfügen (...) aber ihre Zahl ist klein und ihre stille Tätigkeit kommt durch das laute Treiben jener anderen nicht zur Geltung, so dass das Gesamtbild, das gegenwärtig die Frauenbewegung in Österreich darstellt, ein wenig erfreuliches ist.
    Leider haben auch die Verhandlungen der Generalversammlung des 'Bundes österr. Frauenvereine' die charakteristisches Züge dieses Bildes gezeigt.
    (...)
    Wenn man auch nicht verlangen kann, dass eine Organisation, die auf wahllosen Massenanschluss ganz heterogener Elemente angewiesen ist, den zur Behandlung kommenden Fragen auf den Grund geht, also radikal ist, so muss doch von den leitenden Personen ein Standpunkt vertreten und ein Ziel gesetzt werden, sei es auch noch so bescheiden. Ein so ratloses Schwanken zwischen allerlei Anschauungen können sich Privatpersonen erlauben, nicht aber solche, welche fördernd auf ihre Mitwelt einwirken wollen."

    (aus: Neues Frauenleben, Jg. 15, Nr. 6, 1903 S. 19 - 21)

  • in derselben Generalversammlung wurde auch über die Wahl eines "Bundesorganes" des BÖF verhandelt, wobei drei Blätter zum Vorschlag gebracht wurden: "Neues Frauenleben", "Frauenzeit" (Beilage des Tagesblattes "Die Zeit") und "Zentralblatt des Bundes deutscher Frauenvereine"
    die dabei entstandene leidenschaftliche Debatte kommentiert Auguste Fickert folgendermaßen:
    "Hinterher wurde gegen das 'Neue Frauenleben' der Vorwurf erhoben, es habe ein 'Geschäft' machen wollen. Wir fühlen uns daher zu folgender Erklärung veranlasst: Das 'Neue Frauenleben' hat sich dem Bunde nicht angetragen, sondern die Herausgeberin desselben wurde von der Präsidentin des Bundes österreichischer Frauenvereine aufgefordert, ihr bekannt zu geben, unter welchen Bedingungen dem Bunde in jeder Nummer der Zeitung zwei Seiten zur Verfügung gestellt werden könnten, für deren Redaktion der Bund die Verantwortung zu tragen hätte. Unter eigener Redaktion hätten wir die Bundesmitteilungen gar nicht aufgenommen, da wir uns damit mit allen Äußerungen des Bundes einverstanden erklärt und uns des Rechtes begeben hätten, seine Tätigkeit zu kritisieren. (...) Der Bundesvorstand sowie die Delegierten der angeschlossenen Vereine hätten, wie unsere Vertreterin in der Versammlung bemerkte, durch die Annahme des 'Neuen Frauenleben' als Bundesorgan, des einzigen unabhängigen Blattes der österreichischen Frauenbewegung, welches weder durch seinen Inhalt, noch durch seine Ausstattung sensationell zu wirken beabsichtigt, sondern ernst ein ernstes Ziel verfolgt, gezeigt, dass für sie der Inhalt der Frauenfrage nicht Kleiderreform und Schaffung neuer Tänze bedeutet."
    (aus: Neues Frauenleben, Jg. 15, Nr. 6, 1903 S. 21, Fußnote)

  • die neugegründete Sektion "Jugend" eröffnet am 7. Jänner 1906 in den Räumen des Volksheims ihre Sonntags-Nachmittage für jugendliche Arbeiterinnen (aus: Neues Frauenleben, Jg. 18, Nr. 1, 1906, S. 25)

  • Im Beitrag "Alle Mann an Bord! (Neues Frauenleben, 17. Jg., Nr. 12, 1905, S. 3 ff. - Ariadne-Sonderaufstellung: FIB 63a) wird über die am 3. Dezember 1905 stattgefundene Beamtinnen-Versammlung (einberufen von Avian, Schrade und Barth) berichtet, in der - in Konkurrenz zur Beamtinnen-Sektion des AÖFV - ein neuer Verein der Post- und Telegraphen-Manipulantinnen konstituiert werden sollte.

    Unter dem Titel "Verraten!" (Neues Frauenleben, 18. Jg., Nr. 1, 1906, S. 3 - Ariadne-Sonderaufstellung: FIB 63b) reagiert die Beamtinnen-Sektion in ihrem Organ "Die Staatsbeamtin" (Nr. 1, Jänner 1906) auf die im "Bund" angekündigte Gründung des "Reichsverbandes der Post- und Telegraphen-Manipulantinnen" am 3. Dezember 1905 folgendermaßen:
    (...) So wäre also das Geheimnis, warum plötzlich eine neue Organisation der Post- und Telegraphenmanipulantinnen gegründet werden musste, verraten? Aber welche Personen der "höheren Beamtenschaft" sind es, welche den "Reichsverein" zu unterstützen versprachen? Der Handelsminister, sowie die Hofräte Hofer und Wagner-Jauregg stehen der Sektion wohlwollend gegenüber, gehören diese "höheren Beamten" etwa der Postdirektion an, bei welcher allerdings, wie die Zustände und Vorgänge im Postsparkassenamt in jüngster Zeit gezeigt, und wie es sich bei Vorladungen einiger Manipulantinnen schon öfter erwiesen hat, nicht viel soziales Verständnis, aber sehr viel herrische Unduldsamkeit vorhanden ist?
    Die Leitung des "Bundes österr. Frauenvereine" aber ersuchen wir um Beantwortung folgender Fragen:

    1. Hatte dieselbe bei Veröffentlichung obiger Notiz Einblick in die gegenwärtige Sachlage des Organisationskampfes unter den Post- und Telegraphenmanipulantinnen? (Nr. 2 der Bundesmitteilungen erschien Anfangs Jänner, aber schon das Dezemberheft des "Neuen Frauenleben" brachte die nötigen Informationen.)
    2. Wenn ja, ist es Aufgabe des Bundes österr. Frauenvereine, eine blühende, aufrechte wirtschaftliche Frauenorganisation durch Propagierung eines Konkurrenzvereines zu schädigen, weil die erstere vielleicht einigen "höheren" Beamten unbequem ist?

  • am 31. März 1906 findet im Saale des Eisenbahnbeamten-Klubs eine ausserordentliche Generalversammlung des AÖFV statt, der auf Verlangen von 21 Mitgliedern mit folgender Tagesordnung einberufen wird:
    1. Der Reichsverband der Postbeamtinnen und die Beamtinnen-Sektion des Allg. österr. Frauenvereines
    2. Ist es Aufgabe eines Organes, welches von einem dem Bunde angeschlossenen Vereine herausgegeben wird, den Bund österr. Frauenvereine, die grösste österr. Frauenorganisation, andauernd zu bekämpfen?
    3. Wie denkt sich das "Neue Frauenleben" das Programm und die Wege einer bürgerlichen Frauenbewegung?
    Zum Punkt 1 erklärt Fr. Quittner, Vertreterin der Beamtinnen-Sektion des AÖFV, daß die Neugründung eines Verbandes von Post- und Telegraphenmanipulantinnen als Zersplitterung der staatsbediensteten Frauen anzusehen und zu bekämpfen ist. Sie stellt den Antrag, der AÖFV solle aus dem "Bund österreichischer Frauenvereine" austreten.
    Zum Punkt 2 verteidigt Leopoldine Kulka die fortschrittliche und kritische Linie des Organs "Neues Frauenleben"
    Zum Punkt 3 legt Adele Gerber die auf dem Gebiete der Bildung, des Erwerbslebens, der Sittlichkeit und des öffentlichen Lebens erhobenen Forderungen des "Neuen Frauenlebens" dar, und zwar für die Frauen aller Klassen. Sie spricht sich für das Verbleiben im BÖF aus, unter der Bedingung, daß Auguste Fickert als Vertreterin des AÖFV in die Leitung des Bundes eintrete. Darauf erklärt Marianne Hainisch, daß die Bundesstatuten es verbieten, eine Vereinspräsidentin in die Leitung zu nehmen [s.u.], worauf Adele Gerber von ihrem Antrag zurücktritt. Bei der Abstimmung stimmen 91 Mitglieder des AÖFV für, 36 gegen den Austritt.
    (aus: Neues Frauenleben, 18. Jg., Nr. 4, 1906, S. 21 - 24)
    (Eine Fußnote klärt darüber auf, daß diese Bestimmung eine Konzession an mehrere rückschrittliche Vereine ist, welche für den Bund gewonnen werden sollten und den "Radikalismus" der Vorsitzenden des AÖFV fürchteten. Sie befinde sich auch im Widerspruch zu allen anderen Nationalverbänden.)

  • am 28. April 1906 treten 24 Mitglieder (s.u.) aus dem Allgemeinen Österreichischen Frauenverein aus, weil die Ziele des "Bundes Österreichischer Frauenvereine" (nämlich "dass der Bund politisch, konfessionell und national keiner Partei dienen kann und darf, sondern die Frauen aller Stände und Parteien durch die Förderung ethischer, geistiger, humanitärer und wirtschaftlicher Bestrebungen intellektuell heben und deren Rechts- und Wirtschaftslage bessern soll") kein Verständnis beim Vorstand des Allgemeinen Österreichischen Frauenvereines finden. Die austretenden Frauen berufen sich dabei auf auf "abfällige Artikel" in der Zeitschrift "Neues Frauenleben" (Juni-Heft 1903, Juni Heft 1904, Mai-Heft 1905 und andere). Außerdem wurde in diesem Zusammenhang auch auf den Konflikt der Beamtinnensektion mit dem Reichsverband der Post- und Telegraphen-Manipulantinnen hingewiesen.
    Den Austritt erklären: Marie Franzos, Leopoldine Glöckel, Marianne Hainisch, Henriette Herzfelder, Mariette Himmelbauer, Emma Hönigsberg, Regine Kapper, Anna Kohn, Klara Kuffler, Elly Luzzatto, Irene Mayerhofer, Daisy Minor, Stefanie Nauheimer, Minna Popper, Ilka Polak, Dora Rösler, Therese Schmiedl, Marie Spitzer, Hertha v. Sprung, Gisela Werner, Regina Werner, Rosa Werner, Gabriele Werner, Friederike Zeileis.
    (aus: Der Bund, 1. Jg., Nr. 6, 1906, S. 10 - 11) (Ariadne-Sonderaufstellung: FIB 63c)

  • am 11. November 1910 werden die Vereinsmitglieder in einer außerordentlichen Generalversammlung vom Ableben Auguste Fickerts unterrichtet
    1. Vizepräsidentin wird Sofie Regen, 2. Vizepräsidentin Mathilde Hanzel; Präsidentinnen-Stelle bleibt im Trauerjahr unbesetzt; durch Kooptierung zweier Mitglieder - Dr. Christine Touaillon und Dr. Marianne Zycha - wird der Vorstand wieder ergänzt
    Herausgabe der Zeitschrift "Neues Frauenleben" durch Leopoldine Kulka, Dr.