Trude Waehner
1900-1979
Trude Waehner (eigentlich Gertrude Wähner; verheiratete Szekely-Wähner und Schmidl-Wähner), geboren am 11. 8. 1900 in Wien, gestorben am 18. 5. 1979 ebenda. Der Vater, Dr. Theodor Wähner, Herausgeber der "Deutschen Zeitung" und Wiener Stadtrat, in dessen Haus viele Künstler und Intellektuelle verkehrten, war u.a. mit dem Komponisten Hugo Wolf und dem Architekten Karl Mayreder befreundet. Nach dem frühen Tod des Vaters übernahm der Großvater, ein Bergingenieur im Ruhestand, die Erziehung Trudes. Er weckte ihr Interesse für Landkarten und für das Zeichnen. Mit drei Jahren konnte sie lesen, mit vier Jahren lernte sie Latein. Der Großvater stellte Trude dem Schriftsteller Peter Altenberg vor, der sie mit Oskar Strnad, dem Leiter der Kunstgewerbeschule (später Akademie für Angewandte Kunst), bekannt machte. Dort durfte sie an der Zeichenklasse teilnehmen. Strnad schickte sie später an die graphische Lehr- und Versuchsanstalt, die sie immer nach der Schule besuchte.
Nach der Matura im Gymnasium in der Rahlgasse (6. Wiener Gemeindebezirk) studierte Waehner zwei Jahre an der Akademie für Musik in Wien, schließlich an der Kunstgewerbeschule. In den 1920er Jahren wurde sie Mitglied der Künstlervereinigungen "Hagebund" und "Österreichischer Werkbund", in dem sie jüngstes Vorstandsmitglied wurde. Ausstellungen ihrer Bilder fanden in Wien, Prag, Brünn, Belgrad, Zürich, Stockholm und Paris statt. 1928 ging sie nach Dessau, wo sie am Bauhaus in die Meisterklasse von Paul Klee aufgenommen wurde. 1932 übersiedelte sie nach Berlin. Eine für 1933 geplante Ausstellung in der Galerie von Paul Cassierer kam aufgrund der Machtübernahme Hitlers nicht mehr zustande. Waehner, die sich stets kritisch zum Faschismus in Europa geäußert hatte, und deren zweiter Mann jüdischer Abstammung war, mußte nach Österreich zurückkehren. Im März 1938 war sie gezwungen unterzutauchen, erst im Juni gelang ihr die Flucht über die Schweiz nach Belgien, Frankreich, von dort über England in die USA. Hier arbeitete sie u.a. am Sarah Lawrence College in New York und am Moravian Seminary and College for Women in Pennsylvania. 1947 kehrte sie erstmals nach Österreich zurück, ihre Ausstellung in der "Neuen Galerie" wurde als "Heimkehr" einer wichtigen österreichischen Künstlerin gefeiert. In den 1950er Jahren verließ sie dann die USA, lebte auf einem Bauerngut in Frankreich, bevor sie 1963 nach Venedig übersiedelte. Schließlich kehrte sie aber in ihre Heimatstadt Wien zurück. Zeit ihres Lebens war sie mit dem österreichischen Architekten Josef Frank intellektuell und emotional eng verbunden, wie der umfangreiche Briefwechsel dokumentiert.
Anfang der 1940er Jahre stellte Trude Waehner anläßlich ihrer Arbeit am Sarah Lawrence College in New York wissenschaftliche Studien zur Kunsterziehung an ("Report on the Study of Inefficient Students"). Es erschien der Aufsatz Formal Criteria for the Analysis of Children's Drawings" (The American Journal of Orthopsychiatry, Bd. 12, 1942), der das Werkzeug zu einer systematischen Interpretation von Kinderzeichnungen liefern sollte. Sie arbeitete mit der Rorschach-Methode zur Persönlichkeitsdiagnose und schrieb den Aufsatz Interpretation of Spontaneous Drawings and Paintings" (Genetic Psychology Monographs, 33. Jg. 1946). Mitte der 1960er Jahre entstand das Manuskript "Die Dimension der Kunst", das einen kunsthistorischen Abriß bis herauf in die Gegenwart darstellt - der Text blieb allerdings ebenso unveröffentlicht wie "Kunst und Geisteshaltung", in dem Waehner Überlegungen zu den wichtigsten visuellen Elementen der Kunst und ihrer psychologischen Bedeutung in einzelnen kunstgeschichtlichen Epochen in verschiedenen Kulturen anstellte.
Kulturell vielseitig interessiert korrespondierte sie mit den Schriftstellerinnen und Schriftstellern Hermann Broch, Veza Canetti und Hans Sahl. Bilder von Trude Waehner befinden sich u.a. in der Albertina, in der Österreichischen Galerie (beide Wien), im Museum der Stadt Wien, im Musée d'Art Moderne in Paris, im Museo del'Arte Moderna in Bologna.
Literatur: Sabine Plakolm-Forsthuber: Josef Frank an Trude Waehner (1938-1965). Das Nachleben des Werkbundes in der Kritik am Bauhaus. In: Konstruktion zwischen Werkbund und Bauhaus. Wissenschaft - Architektur - Wiener Kreis. Hg. von Volker Thurm-Nemeth. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky 1998 (= Wissenschaftliche Weltauffassung und Kunst; hrsg. v. Institut Wiener Kreis, Bd. 4), S. 125-158; Gustav Szekely: Aus dem Leben der Malerin Trude Waehner berichtet von ihrem Sohn. Wien: Löcker 2000; Sabine Plakolm-Forsthuber: Trude Waehner - Eine Würdigung. In: Trude Waehner. 1900 - Wien - 1979. Stationen eines Künstlerlebens. Eine Würdigung. Wien: Galerie Szaal 2004, S. 6-19.
ÖLA 244/04: Literarischer Nachlass
Zugangsdatum: 2004
Umfang: 20 Schachteln
Bestand benutzbar
Ordnungssystematik/Inhaltsübersicht
- Werke
- Korrespondenzen
- Lebendokumente
- Sammlungen
- Widmungsexemplare
Recherche nach »Trude Waehner« im Handschriften, Nachlässe- und Autographen-Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek (HANNA)
Weder das Erlebnis der Schönheit noch das der Liebe
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Im Gegenteil, beide Erlebnisse können nur gesteigert
und intensiviert werden durch sie