Papyrussammlung und Papyrusmuseum
Bestandsgeschichte
Die Papyrussammlung geht auf die private Sammlung Papyrus Erzherzog Rainer, 1883 gegründet, zurück. Am 18. August 1899 gelangte sie als Geschenk an Kaiser Franz Joseph, der sie als Spezialsammlung der k.k. Hofbibliothek zuwies. Etwa 95 % des gegenwärtigen Bestandes der Sammlung gehen auf Erzherzog Rainer zurück. Sie ist mit etwa 180.000 Objekten die größte Sammlung der Welt. Fast das gesamte Material kommt aus Ägypten und ist das Ergebnis der Erwerbungstätigkeiten des Wiener Antiquitätenhändlers Theodor Graf Ende im vorigen Jahrhundert.
Unter den Materialien findet man Papyrus, Pergament, Papier, Ostrakon, Leder, Holz, Wachstafel, Stein (mit Tinte beschrieben), Knochen und Textilien. Die Schriften und Sprachen auf diesen Schriftträgern sind jene, die in Ägypten vom 15. Jh. v. Chr. bis in das 16. Jh. n. Chr. geschrieben und gesprochen wurden. Aus diesem Zeitraum stammen die Objekte. Dazu gehören: Altägyptisch in Hieroglyphen, Hieratisch (ca. 275) und Demotisch (ca. 2.000), Koptisch (in allen Dialekten, ca. 26.000), Griechisch (die Amtssprache [!] von ca. 300 v. Chr. bis 685 n. Chr., ca 46.000), Lateinisch (ca. 160), Hebräisch (ca. 200), Syrisch, Aramäisch, Pehlevi (Mittelpersisch) und Arabisch. Die einzelnen Schriften sind unterschiedlich stark vertreten. Naturgemäß liegt auf der jüngsten, der arabischen, das Übergewicht. Etwa 34.000 Papier- und etwa gleich viele Papyrusfragmente sind in Arabisch geschrieben, wenn auch der Großteil stark fragmentiert ist.
Der Bearbeitungs- und Erschließungsstand ist nach der jeweiligen Sprache unterschiedlich. Von den 60.000 griechischen Objekten sind etwa 12.000 bearbeitet. Im internationalen Vergleich steht die Wiener Papyrussammlung weit vor allen anderen: Oxford (mit dem seit jeher größten Mitarbeiterstab) 4.000, Berlin 2.500, Florenz 1.600, Michigan 700, Paris 2.000, London 2.000 und Kairo 1.500. Der Bearbeitungsstand in Wien erklärt sich daraus, dass die Sammlung durch den Willen ihres Gründers von Anfang an für alle Wissenschaftler offen war, was bis heute eingehalten wird. Keine andere Sammlung besitzt einen solchen internationalen Mitarbeiterstab. Vom koptischen Bestand (ca.24.000) sind etwa 5000 bearbeitet. Der größte Bestand (arabisch, ca. 80.000) ist, wie überall auf der Welt, der am wenigsten bearbeitete (etwa 1000), was an der enormen Schwierigkeit dieser Schrift liegt.
Bestand
Papyri 137.864
Archäologische Dokumente 50.769
Museale Objekte 5
Bücher und fortl. Sammelwerke 14.049
Mikroformen 555
Audiovisuelle Materialien 2.292
Bilddokumente 16.944
Erwerbung von Sammlungsobjekten
Objekte aus Privatbesitz:
Als Richtlinien für die Bestandserweiterung gilt, dass Papyrus in der letzten Zeit verstärkt zum Sammelgut in Privatbesitz wurde. Erfahrungsgemäß ist Papyrus im Privatbesitz stets der Gefahr ausgesetzt, zum Wegwerfgut zu werden. Die unbekannten Aufbewahrungsbedingungen sind nicht immer als günstige anzunehmen. Daher haben Offerte aus Privatbesitz eine bestimmte Präferenz.
Die Übernahme von Objekten aus Privatbesitz in eine öffentliche Sammlung sichert deren Erhaltung. Nach den Erfahrungen kommen aus Privatbesitz qualitativ (auf den Inhalt bezogen) bessere Objekte als aus dem allgemeinen Markt. Generell wird aus Privatbesitz immer gekauft, weil die inhaltliche Qualität besser und die konservatorischen Bedingungen im privaten Bereich meist ungenügend sind.
Objekte aus dem Antiquitätenhandel:
Erwerbungen mit dieser Bezugsquelle sind vordringlich auf die Ergänzung der vorhandenen Bestände hin zu beurteilen. In erster Linie wird aus jenen Bereichen eine Bestandserweiterung angestrebt, die nur in geringer Zahl vertreten sind. Dies sind griechische Papyri aus der ptolemäischen Epoche, ägyptische (hieroglyphische, hieratische), lateinische, hebräische und koptische Papyri sowie literarische Papyri jeder Sprache und Schrift. Demotische dokumentarische Papyri sind zwar zahlenmäßig schwach vertreten, aber Bearbeiter werden weitere Zeit nicht in Sicht sein. Weiters gelten als Entscheidungshilfen die Schriftträger, so sind Mumientäfelchen, Wachstäfelchen, Ostraka und beschriebene Stoffe in bescheidener Zahl vertreten. Als Richtlinie für die Präferenz von Offerten muss letztlich neben der Preisangemessenheit, die sich naturgemäß nach der Marktlage richtet die inhaltliche Qualität entscheiden. Darüber hinausgehende Richtlinien sind nicht aufstellbar, überdies ist die Zahl der angebotenen Objekte nicht sehr hoch.
Fachliteratur
Sammelschwerpunkt
Für den breit gefächerten Bereich der Papyrologie, die Quellmaterial erschließt, sind nicht nur die Editionen verpflichtend, sondern auch die gesamte Literatur, die zu den Gebieten Papyrologie, Paläografie und frühe Buchgeschichte inkl. Materialkunde (hier kommt es zu Überschneidungen mit der Handschriftensammlung), Alte Geschichte, Restaurierung, Koptologie, Ägyptologie, Arabistik, Orientalistik, Quumran und Archäologie (soweit sie den "Alltag in den Papyrusquellen" betrifft) gehört. Es ist zu betonen, dass die Papyrussammlung an der Österreichischen Nationalbibliothek die einzige Forschungsstelle in Österreich ist, die seit Anbeginn der Papyrologie (um 1880) diese Literatur sammelt.
Daraus ergibt sich, dass für die Erfüllung der Erhaltungs- und Erschließungsaufgaben an der Sammlung die dafür erforderliche wissenschaftliche Literatur in den skizzierten Gebieten vorhanden sein muss. Abstimmungen mit anderen Fachbibliotheken sind daher nicht möglich. Allerdings wird hier betont, dass an der Sammlung nur jene Literatur gebraucht wird, die mit den Objekten, den Papyri, zu tun hat.
In Auswahl
Literatur zum Fach "Alte Geschichte" (nur Ägypten betreffend)