Österreichisches Literaturarchiv
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Foto Spiel
Hilde Spiel
1911-1990

Unterschrift Spiel


Es ist im Grunde eine Stadt wie Wien
ohne Karl Kraus gar nicht zu ertragen


Hilde Spiel, geboren am 19. 10. 1911 in Wien als Tochter von Marie und Hugo Spiel, gestorben am 30. 11. 1990 ebenda. Verheiratet mit den Schriftstellern und Publizisten Peter de Mendelssohn (ab 1936, Trennung 1963) und Hans Flesch-Brunningen (von 1971 bis 1981). Bedeutung erlangte Spiel sowohl als Essayistin, Romanautorin und Übersetzerin als auch - durch ihre langjährige Tätigkeit als Österreich-Korrespondentin für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Seit 1937 war sie engagiertes P.E.N.-Club-Mitglied, dem sie in London beitrat, wo sie von 1936 bis 1963 mit kurzen Unterbrechungen lebte und auch einige Werke in englischer Sprache schrieb, zum Beispiel den Roman "The Darkened Room" (1961, dt. 1965: "Lisas Zimmer").
Zum ersten Mal nach dem Krieg kehrte sie im Auftrag der linksintellektuellen Zeitschrift "New Statesman" als "War Correspondent" 1946 nach Österreich zurück. Ihre Eindrücke, die sie nicht nur journalistisch verarbeitete, sondern zunächst in englischsprachigen Tagebuchnotizen festhielt, flossen später in ihr Buch "Rückkehr nach Wien" ein. Die Begegnung mit der Heimat löste in ihr die Frage aus, in England zu bleiben oder auf das europäische Festland zurückzukehren, um am Wiederaufbau teilzuhaben. Der Wunsch nach einer Rückkehr stellte sich auch während ihres zweijährigen Aufenthalts in der amerikanischen Besatzungszone Berlins von 1946 bis 1948, wo ihre Karriere als Theaterkritikerin in der Berliner Ausgabe der "Welt" begann. Die zunehmenden Spannungen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion, die zu einem Krieg zu eskalieren drohten, beendeten ihren Aufenthalt. In London baute sie ein "Syndikat für Kulturberichte" auf. Ihre Berichte veröffentlichte sie in einer Reihe von deutschsprachigen Zeitungen (etwa in der "Neuen Zeitung" und im "Monat") und Rundfunkstationen. In den beiden genannten amerikanischen Presseorganen findet sich 1952 die Initialzündung für die in der Öffentlichkeit heftig ausgetragene Auseinandersetzung mit Friedrich Torberg, nachdem dieser dem Herausgeber des "Monat", Melvin Lasky, nahegelegt hatte, über Hilde Spiel als Sympathisantin des Kommunismus Schreibverbot zu verhängen. Auch in österreichischen Zeitschriften, etwa im "Neuen Österreich", erschienen Beiträge von Hilde Spiel, bis sie 1963 einen Exklusivvertrag mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unterschrieb. Sie übersetzte Werke der Dramatiker Tom Stoppard und James Saunders, des Dichters W.H. Auden, sowie des Romanciers Graham Greene.
Besonders die Jahre nach ihrer Rückkehr nach London waren geprägt von dem Wunsch nach einer "literarischen Weltfamilie", mit der sie in regem Briefkontakt stand, die sie aber auch ab den 50er-Jahren in ihrem "Literarischen Salon" in St. Wolfgang, ihrem Sommerhaus im Salzkammergut, empfing. Zu den bedeutendsten Besuchern dieser "dampfenden Namensküche" zählten Heimito von Doderer, Thomas Bernhard, dessen literarisches Talent sie früh erkannte, und der "Freund-Feind" Friedrich Torberg.
Als Hilde Spiel 1963 den Vertrag für die FAZ unterschrieb, war dies das Signal für eine endgültige Rückkehr nach Wien. Sie lebte hier in den nächsten zwei Jahrzehnten als kritische Beobachterin der Wiener Theater- und Opernszene und der Salzburger Festspiele. Sie trat dem Österreichischen P.E.N.-Club bei, wurde zwei Jahre später Generalsekretärin und später Vizepräsidentin.
In den letzten zwei Lebensjahren verfaßt sie, bereits schwer krebskrank, ihre Autobiographie ("Die hellen und die finsteren Zeiten" und "Welche Welt ist meine Welt?").

Bibliographie in: Monika Griensteidl und Ingrid Schramm: Hilde Spiel - Briefwechsel. Eine Ausstellung des Österreichischen Literaturarchivs der Österreichischen Nationalbibliothek 16. März bis 27. April 1995. Wien: Österreichische Nationalbibliothek 1995; Sandra Wiesinger-Stock: Hilde Spiel. Ein Leben ohne Heimat? Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1996 (= Biographische Texte zur Kultur- und Zeitgeschichte 16; zugl. Wien: phil. Dipl. 1993).
Literatur: Hilde Spiel. Weltbürgerin der Literatur. Hg. von Hans A. Neunzig und Ingrid Schramm. Wien: Zsolnay 1999 (= Profile. Magazin des Österreichischen Literaturarchivs 3).

  Betreuerkontakt

ÖLA 15/91: Nachlaß

Zugangsdatum: 1991.
Umfang: 278 Schachteln.
Bestand benutzbar.

Der Bestand ist geordnet (Ordnungssystematik).

ÖLA 55/97: Splitternachlaß

Zugangsdatum: 1997.
Umfang: 1 Mappe.
Bestand benutzbar.

ÖLA 93/97: Splitternachlaß

Zugangsdatum: 1997.
Umfang: 2 Mappen.
Bestand benutzbar.

Recherche nach »Hilde Spiel« im Handschriften, Nachlässe- und Autographen-Katalog der Österreichischen Nationalbibliothek (HANNA)
 


Letzte Änderung: Oktober 2009
Redaktion: Priv.-Doz. Dr. Volker Kaukoreit / Peter Seda