Bestände

Wie bei den meisten Fürstenbibliotheken in Europa reichen die Anfänge der ehemaligen Hofbibliothek in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts zurück. Von der Sammlung Kaiser Friedrich III. (reg. 1440 - 1493) sind über 50 Handschriften und wenige (wahrscheinlich 4) Inkunabeln erhalten geblieben. Die insgesamt ca. 8.000 Inkunabeln stellen den wertvollsten Teil der Inkunabeln, alten und wertvollen Drucke dar. Die Österreichische Nationalbibliothek verwahrt den weltweit viertgrößten Bestand. Etwa ein Fünftel aller im 15. Jahrhundert gedruckten Titel sind vorhanden. Hervorzuheben ist z.B. das einzige in Österreich verbliebene Exemplar der 42zeiligen Gutenberg-Bibel (Mainz 1454/55). Die Sammlung ist sowohl durch wertvolle Einzelstücke als auch geschlossene Bestandsgruppen ausgezeichnet: so enthält sie u.a. eine von insgesamt 13 erhaltenen Exemplaren der 36zeiligen Bibel (Bamberg um 1460), einen vollständigen Pergamentdruck des Mainzer Psalters (Johann Fust, Peter Schöffer 1457) und Beispiele fast aller bis 1500 gedruckten Bibeln.

Der Sohn Friedrich III., Maximilian I. (reg. 1493 - 1519), ließ Handschriften und Drucke sowohl unter ihrem materiellen Aspekt als Teile des Hofschatzes als auch nach wissenschaftlichen und künstlerischen Kriterien systematisch vermehren. Hinzu kamen die zahlreichen, von Maximilian verfaßten bzw. in Auftrag gegebenen Werke. Zu den bedeutendsten Zimelien zählt der mit über 100 Holzschnitten ausgestattete "Theuerdank", ein allegorisch verbrämter Ritterroman, in dem Maximilian seine Brautfahrt nach Burgund verarbeiten ließ. Um die kaiserliche Büchersammlung mit den immer zahlreicheren Neuerscheinungen bereichern zu können, wurden bereits seit dem 16. Jahrhundert Regelungen über das kostenlose Abliefern von Exemplaren erlassen. Diese sogenannten Privileg- und Zensurexemplare dienten dem Buchdrucker zum Schutz seiner Drucke vor unbefugtem Nachdruck. Im Jahre 1569 wurde durch die Einführung der Bücherkommission bei der Buchmesse in Frankfurt am Main eine kaiserliche Institution geschaffen, der neben der Ausübung der politischen und religiösen Zensur auch von Anfang an die Überwachung der Ablieferung der Pflichtexemplare an die kaiserliche Kanzlei oblag. Durch die, wenn auch mangelhaft eingehaltene Pflichtabgabe, die 1808 auf die gesamte Monarchie ausgeweitet wurde, erfuhr die k. k. Hofbibliothek einen bedeutenden Zuwachs.

Auch zahlreiche Privatbibliotheken bekannter Wiener Humanisten, wie die des Johannes Cuspinianus (1473 - 1529), die Bibliotheken des Wiener Orientalisten "Joseph Hammer-Purgstall" (1774 - 1856) und mehrerer Präfekten, wie die von Sebastian Tengnagel (1573 - 1636), Peter Lambeck (1628 - 1680) oder Gerard van Swieten (1700 - 1772), erweiterten den Bestand. Im Jahre 1655 kam es zum Ankauf einer der Büchersammlungen der Familie Fugger. Die ca. 15.000 Bände bedeuteten eine große Bereicherung für die Bibliothek, auf die die gesamte gelehrte Welt aufmerksam wurde. Unter den meist wissenschaftsgeschichtlich und bibliophil herausragenden Büchern verdient die 1738 von der Bibliothek erworbene etwa 15.000 Titel umfassende "Bibliotheca Eugeniana" des kaiserlichen Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen Beachtung.

Aus verschiedenen Gründen gelangten in die Bibliothek immer wieder Bücherbestände aus öffentlichen Einrichtungen, wie der Wiener Universitätsbibliothek (1756) oder der Wiener Stadtbibliothek (1780). Eine große Bestandserweiterung erfuhr die Bibliothek auch durch die Klosteraufhebungen unter Joseph II. (reg. 1780-1790). Schließlich sind die zahlreichen Büchersammlungen der Mitglieder des Hauses Habsburg selbst zu nennen, die über mehrere Jahrhunderte hinweg die Bestände bereicherten. So befinden sich in der Österreichischen Nationalbibliothek die Bibliothek aus Schloss Ambras, die 1665 nach dem Erlöschen der tirolischen Linie der Habsburger zu einem großen Teil nach Wien gebracht wurde, Teile der Grazer Schlossbibliothek der steirischen Linie der Habsburger (1758) und die habsburgische Familien-Fideikommissbibliothek (1920), letztgenannte im Bildarchiv.

Eine überblicksmäßige Darstellung in Zahlen schließt die Ausführungen über die Buchbestände ab.

Insgesamt zählt der historische Druckschriftenbestand der Österreichischen Nationalbibliothek zu den fünf größten der Welt.

Chronologische Übersicht der historischen Buchbestände vor 1900

Von den etwa 44.000 Werken des 16. Jahrhunderts entfallen die meisten auf den deutschen Sprachraum (ca. 24.000 Titel), gefolgt von Italien und Frankreich. In den Niederlanden wurden mehr als 2.000, in Spanien etwa 900, in England ca. 100 Titel publiziert. Die meisten Werke dieser Zeit (ca. 26.000) sind in lateinischer Sprache erschienen, weiters sind mehr als 8.000 Texte in deutscher, ca. 5.000 in italienischer, über 2.250 in französischer, etwa 1.000 in spanischer und der Rest vor allem in griechischer (ca. 300), hebräischer (ca. 300) oder einer slawischen Sprache verfasst.

Von den über 64.000 Bänden aus dem 17. Jahrhundert sind etwa 38.300 in lateinischer, ca. 7.800 in deutscher, 5.500 in italienischer, ca. 6.500 in französischer, etwa 4.000 in spanischer und mehr als 800 in hebräischer Sprache erschienen.

Unter den etwa 115.000 Werken des 18. Jahrhunderts finden sich ca. 41.500 deutschsprachige Titel. Die übrigen Titel setzen sich aus ca. 40.000 lateinischen, ca. 15.400 französischen, etwa 8.700 italienischen, ca. 1.300 spanischen, des Weiteren aus englischen (ca. 900), griechischen (ca. 300), hebräischen (ca. 200) und Werken aus dem slawischen Bereich (ca. 300) zusammen.

Bei den über 458.000 Titeln des 19. Jahrhunderts (davon ca. 200.000 bis 1850)  liegen etwa 242.000 Werke in deutscher Sprache (davon ca. 100.00 bis 1850) vor. Signifikant ist der Bestand an slawischen (insgesamt ca. 40.200, davon ca. 19.000 bis 1850) und ungarischen Werken (insgesamt ca. 10.500, davon ca. 4.200 bis 1850). Daneben finden sich ca. 48.800 französische (davon ca. 20.000 bis 1850), 41.200 italienische (davon 17.000 bis 1850), 26.650 lateinische (davon ca. 16.000 bis 1850), 5.000 spanische (davon 2.000 bis 1850), 4.400 englische, 900 griechische und etwa 900 hebräische Titel im Bestand des 19. Jahrhunderts. Zu den hier aufgezählten Werken kommen insgesamt noch etwa 10.000 Titel ohne Angabe des Erscheinungsjahres.

Beachtenswert ist schließlich auch der Bestand der Zeitungen und Zeitschriften. In Wien, wo seit dem Ende des 15. Jahrhunderts das Buchgewerbe in Blüte stand, gab es eine besondere Tradition auf dem Gebiet der nichtperiodischen Nachrichtenblätter, der sogenannten "Neuen Zeitungen". Von den insgesamt 246 zwischen 1492 und 1705 nachgewiesenen Ausgaben erschienen allein 195 in Wien. Allerdings blieb nur ein kleiner Teil erhalten und der Bestand an der Bibliothek ist dementsprechend gering. Von den ab dem 17. Jahrhundert periodisch erscheinenden Zeitungen sind als ältestes Wiener Beispiel die in der Offizin des Matthäus Formica seit 1621 gedruckten "Ordinari Zeittungen" zu nennen. In Ergänzung zu dem auf auswärtige Meldungen beschränkten Blatt schuf Formica 1622 die "Ordentlichen Postzeittungen", die ausschließlich Nachrichten aus Wien, vor allem vom Kaiserhof, sowie aus Ost- und Südeuropa brachten. Ebenfalls in den Beständen vertreten ist das 1703 gegründete "Wienerische Diarium", das noch heute als "Wiener Zeitung" fortbesteht. Im 18. und 19. Jahrhundert liegt ein Schwerpunkt bei den Periodika aus dem Raum der österreichisch-ungarischen Monarchie, in italienischer, tschechischer, polnischer, serbischer, kroatischer, ungarischer, aber auch in lateinischer Sprache.

Die hier im Überblick mit einigen Auswahlbeispielen vorgestellten Bestände sind zum Teil in geschlossenen Aufstellungen wie "Cimelia Palatinae", "Rara", "Erotica", "Einbandsammlung" und "Luxusausgaben" zusammengefaßt. Insgesamt spiegeln die Bestände an Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken sowohl die Entwicklung des wissenschaftlichen und literarischen Publikationswesens der europäischen Neuzeit als auch die Stellung der ehemaligen Hofbibliothek als zentrale Bibliothek der Habsburgermonarchie wider.

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last update 16.04.2010