1514 | Gelehrte und ihre Bibliotheken
Von den Gelehrten und ihren Bibliotheken, die in den nächsten siebzig Jahren mit der Hofbibliothek in Verbindung stehen wollen, wir ein paar etwas näher betrachten: Wolfgang Lazius (1514–1565) war Professor für Medizin an der Universität Wien und offizieller Historiograph Kaiser Ferdinand I. (1531–1564). Sein erstes Werk - Vienna Austriae - kam 1546 in Basel bei Johannes Oporinus heraus. In der Vorrede schreibt er, er habe ein halbes Jahr lang Bibliotheken, Klöster und Archive dafür durchforscht. Und dasselbe tat er in den folgenden Jahren im Auftrag des Kaisers, um die Geschichte des Herrscherhauses und der dazugehörigen Länder zu erforschen. Von drei großen Bibliotheksreisen, die ihn unter anderem nach Admont, Seckau, St. Lambrecht, Friesach, Gurk, St. Paul, Cilli, Krain und in die Vorlande führten, kehrte er mit ansehnlicher Beute nach Wien zurück. Denn in seiner Bibliothek, die nach seinem Tod in die Hofbibliothek kam, befanden sich zahlreiche Handschriften und Druckwerke aus Klöstern, die er gekauft und manchmal entlehnt und nicht zurückgegeben hatte. Im Kloster Millstatt wurde ihm übrigens der Eintritt verwehrt...
Was ein wenig nach geistigem Raubrittertum aussieht, muss man im größeren Zusammenhang sehen: Schon seit der Regentschaft Maximilian I. war die Bedeutung des Buchdrucks und damit in verstärktem Ausmaß auch die Bedeutung der Wissenschaften, der Historie, der Genealogie, der Heraldik, der Ikonologie erkannt worden, um Herrschaftsansprüche zu legitimieren, Macht zu konzentrieren und das Erbe zu sichern. Mehr und mehr veränderte sich daher die Vorstellung und die Funktion der Bibliothek von einem Teil des Schatzes hin zum materiellen Ort des Wissens und des kulturellen Gedächtnisses. Die Aufgabe der Bücher bestand nicht länger mehr darin, ganz einfach da zu sein, schön zu sein und an geheiligten Orten zu liegen, sondern mit einem Mal wurde auch das Unscheinbare wichtig, das Wissen, das sich in den immer zahlreicheren und ausufernden Druckwerken verbarg, und das gesammelt, geordnet und manchmal sogar gelesen werden wollte.
Der Diplomat Augerius Gislain von Busbeck (1522-1592) kaufte in Konstantinopel als Gesandter des Kaisers wertvolle griechische Handschriften an, von denen noch über 270 nachweisbar sind, aus der Sammeltätigkeit des Johannes Sambucus (1531-1584) in Italien stammen über 560 griechische und lateinische Handschriften und der Katalog des Hans Derschwamm (1494-1568), des Verwalters der vom Kaiser an die Fugger verpachteten Kupfergruben in Neusohl, gibt 651 Werke an, die nach seinem Tod für die kaiserliche Bibliothek in Wien angekauft wurden.