Sammlung von Handschriften und alten Drucken
Handschriften, Autografen und Nachlässe
Bestandsgeschichte
Die Anfänge der Sammlung reichen vor die Ernennung des ersten offiziellen kaiserlichen Bibliothekars Hugo Blotius im Jahre 1575 zurück und werden traditionell mit dem 1368 fertiggestellten Evangeliar des Johannes von Troppau verbunden, das für Herzog Albrecht III. (1365-1395) in Böhmen ausgeführt wurde.
In der weiteren Folge bereicherten böhmische Handschriften und Codices der Wiener Hofminiatorenwerkstatt aus dem Besitz von Kaiser Friedrich III. (1452-1493), danach die Handschriften Kaiser Maximilians I. (1493-1519) die habsburgische Büchersammlung. Im 16. und 17. Jh. führte der Erwerb von Handschriften aus den Sammlungen von Wolfgang Lazius, Augerius Ghislain de Busbecq, Hugo Blotius und Sebastian Tengnagel zur Vermehrung der lateinischen, griechischen und orientalischen Handschriften. Schließlich zeitigte die Zuführung der Handschriften aus den folgenden Bibliotheken im 17. und 18. Jh. einen sprunghaften Anstieg der Sammlung: Fugger-Bibliothek aus Augsburg (1655), Ambraser Bibliothek (1665), Bibliothek des Georg von Hohendorf (1720), Bibliothek des Prinzen Eugen (1738), alte Wiener Universitätsbibliothek (1756), alte Wiener Stadtbibliothek (1780). Unter Kaiser Josef II. (1780-1790) erfuhr die Sammlung durch die Ordens- und Klosteraufhebungen großen Zuwachs an Handschriften. Im 19. Jh. fanden geschlossene Sammlungen an orientalischen Handschriften von Joseph von Hammer-Purgstall und von Eduard Glaser Eingang in die Handschriftensammlung. Nach 1920 wurden die Handschriften der Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen der Handschriftensammlung integriert, daneben laufend Einzelerwerbungen.
Die Erwerbung der Autografen setzte mit der Dokumentation eigenhändiger Niederschriften von Fürsten und Regenten in Europa im letzten Viertel des 18. Jhs. ein und bestand in Einzelstücken, später auch in Briefsammlungen.
Die Erwerbung der Nachlässe geht auf die Hinterlegung von Teilen der schriftlichen Verlassenschaften der Präfekten der kaiserlichen Bibliothek (eigene Handschriften, Korrespondenzen, Sammlungen von Handschriften als Forschungsgegenstände) zurück. Konsequent wurden schriftliche Nachlässe seit dem 19. Jh. gesammelt.
Bestand
Bestand
Ca. 55.000 Handschriften
Unter den spätantiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Handschriften finden sich Hauptwerke aus fast allen Schriftkulturen vom 4. Jh. bis in die Gegenwart. Zimelien wie die Wiener Genesis, der Wiener Dioskurides, die Tabula Peutingeriana, das aztekische Leporello-Album Codex Mexicanus 1, die gotischen Handschriften König Wenzels IV. von Böhmen und italienische illuminierte Handschriften und französische und flämische Stundenbücher in großer Zahl begründen den Weltruf der Sammlung.
Die Handschriften in lateinischer Schrift gliedern sich in zwei Signaturengruppen:
- Cod. 1 - 15.500, Erwerbungen bis ca. 1870 (inventarisiert im Tabulae-codicum-
manuscriptorum-Katalog, Vol. I-VIII).
- Cod. Series nova (Ser. n.), Erwerbungen seit ca. 1870: Cod. Ser. n. 1 - 4.800, 4.801 - 4.851,
9.249 - 9.999, 11.779 - ca. 51.100.
Ca. 300.000 Autografen
Seit dem ausgehenden 18. Jh. wurden in der Handschriftensammlung unter der Signaturengruppe "Autogr." vorwiegend Korrespondenzstücke gesammelt. Mit dem Begriff der Autografen sind in erster Linie Korrespondenzstücke des privaten Schriftverkehrs gemeint; unter den älteren Dokumenten des 16. bis 19. Jhs. befinden sich auch Kanzleistücke und Regierungsdrucke mit Unterschriften ihrer Aussteller (Herrscher, Staatsmänner u. a.).
Die Autografen sind in zwei modernen Aleph-Katalogen erschlossen: Der 'Alte Autographenkatalog' enthält die Nachweise zu Autografen von über 40.000 Personen aus dem 16. bis 20. Jahrhundert. In 'ÖNB-HANNA' sind der seit 1828 erfaßte Altbestand an Autografen sowie Neuerwerbungen ab dem Jahr 1998 verzeichnet. Der Bogen spannt sich von Staatsmännern und Adeligen bis zu Persönlichkeiten aus Literatur, Kultur, Wissenschaft und Politik.
Ca. 350 Nachlässe
Nachlässe bzw. Teilnachlässe vor allem österreichischer Autoren sowie bedeutender Persönlichkeiten der Literatur, Wissenschaft, Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Die Werkmanuskripte sind in die Reihe 'Series nova' einsigniert und in einem Inventar (=Standortrepertorium), im gedruckten Series-nova-Katalog (bis zur Signatur Cod. Ser. n. 9.999) und zumindest in Sammelaufnahmen im Aleph-Katalog 'ÖNB-HANNA' erfasst. Die zugehörigen Korrespondenzen sind nach ihrer Provenienz geschlossen in den Autografen-Fonds einsigniert und durch ÖNB-HANNA erschlossen.
Erwerbung von Sammlungsobjekten
Handschriften
Die Erwerbungen erfolgen in erster Linie unter dem Gesichtspunkt des Austriacums. Lediglich größere Fonds an Nicht-Austriaca wie griechische, slawische und orientalische Codices, die Handschriftensammlungen von Nationalbibliotheken aus früheren Jahrhunderten eigen sind, werden in Auswahl fortgesetzt oder vorhandene geschlossene Sammlungen (wie z. B. von Mitgliedern des Hauses Habsburg und Habsburg-Lothringen, von Prinz Eugen von Savoyen, Philipp Eduard Fugger, Georg von Hohendorf u. a.) mit Einzelstücken ergänzt, wenn fehlende Stücke an Hand der Inventare nachgewiesen werden können. Dieser Grundsatz gilt auch für das Fehlen einzelner Blätter aus Codices oder aus Alben und Bilderhandschriften.
Ansonsten wird der Umstand berücksichtigt, dass Österreich ein Vielvölkerstaat war. In Rücksicht auf das heutige Selbstverständnis der Nationen und Länder werden Erwerbungen vermieden, die sich nicht mit dem Begriff des Austriacums oder nicht mit den begründeten Ausnahmen in Verbindung bringen lassen, außer dass Handschriften anderer Kulturen schon länger in Österreich vorhanden sind.
Autografen
Grundsätzlich Austriaca
Nicht-Austriaca nur zur Dokumentation für Vergleichszwecke in Auswahl
(Keine Erwerbung von Autogrammen).
Nachlässe
Schriftliche, österreichische Nachlässe, möglichst in deutscher Sprache. Bis 1989 wurden auch die Nachlässe zur österreichischen Literatur des 20. Jhs. gesammelt, seit 1989 / 1996 werden letztere im Österreichischen Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek gesammelt.
Fachliteratur
Grundsätzlich wird die gesamte Fachliteratur zu den genannten Bestandsgruppen gesammelt.
Sammelschwerpunkt
Handschriftenkunde zu allen vorhandenen Schriftkulturen
- Paläografie
- Kodikologie
- Buchmalerei
- Bucheinband
- Faksimile-Ausgaben
-
Autografen
- allgemeine Literatur
- Verzeichnisse
Nachlässe
- Verzeichnisse
- Schriften zu den Bearbeitungsmethoden
Konservierung - Restaurierung
- Buchrestaurierung, Pergament- und Papierrestaurierung
Dokumentation von Sonderdrucken zu den Beständen an Originalen.
In Auswahl
Handschriftenkunde
- Kalligrafie
- Textausgaben
Autografen
- Grafologie
Nachlässe
- Archivkunde
Konservierung - Restaurierung
- Allgemeine Literatur
Nicht Sammelgebiet : Inkunabelkunde, Druckgeschichte, Verlagseinband
Inkunabeln, alte und wertvolle Drucke
Bestandsgeschichte
Zahlreiche Büchersammlungen der Mitglieder des Hauses Habsburg haben über mehrere Jahrhunderte hinweg die Bestände bereichert. So ließ etwa der Sohn Friedrich III., Maximilian I. (reg. 1493 - 1519), Handschriften und Drucke sowohl unter ihrem materiellen Aspekt als Teilen des Hofschatzes als auch nach wissenschaftlichen und künstlerischen Kriterien systematisch vermehren. Hinzu kamen die zahlreichen, von Maximilian verfassten bzw. in Auftrag gegebenen Werke. Zu den bedeutendsten Zimelien zählt der mit über 100 Holzschnitten ausgestattete "Theuerdank", ein allegorisch verbrämter Ritterroman, in dem Maximilian seine Brautfahrt nach Burgund verarbeiten ließ.
Auch zahlreiche Privatbibliotheken bekannter Wiener Humanisten, wie die des Johannes Cuspinianus (1473 - 1529), die Bibliotheken des Wiener Orientalisten Joseph Hammer-Purgstall (1774 - 1856) und mehrerer Präfekten, wie die von Sebastian Tengnagel (1573 - 1636), Peter Lambeck (1628 - 1680) oder Gerard van Swieten (1700 - 1772), erweiterten den Bestand. Im Jahre 1655 kam es zum Ankauf einer der Büchersammlungen der Familie Fugger. Die ca. 15.000 Bände bedeuteten eine große Bereicherung für die Bibliothek, auf die die gesamte gelehrte Welt aufmerksam wurde. Unter den meist wissenschaftsgeschichtlich und bibliophil herausragenden Büchern verdient die 1738 von der Bibliothek erworbene etwa 15.000 Titel umfassende "Bibliotheca Eugeniana" des kaiserlichen Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen besondere Beachtung.
Aus verschiedenen Gründen gelangten in die Bibliothek immer wieder Bücherbestände aus öffentlichen Einrichtungen, wie der Wiener Universitätsbibliothek (1756) oder der Wiener Stadtbibliothek (1780). Eine große Bestandserweiterung erfuhr die Bibliothek auch durch die Klosteraufhebungen unter Joseph II. (reg. 1780-1790).
Durch die, wenn auch lange Zeit nur mangelhaft eingehaltene Pflichtabgabe, die 1808 auf die gesamte Monarchie ausgeweitet wurde, erfuhr die k. k. Hofbibliothek einen bedeutenden Zuwachs.(vgl. Kap. 1.2.1)
Bestand
Inkunabeln: Die ca. 8.000 Inkunabeln stellen den wertvollsten Teil der Sammlungsbestände von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken dar. Etwa ein Viertel aller im 15. Jh. gedruckten Titel sind im Bestand nachweisbar. Hervorzuheben ist z.B. das einzige in Österreich verbliebene Exemplar der 42-zeiligen Gutenberg-Bibel (Mainz, 1454/55). Die Sammlung ist sowohl durch wertvolle Einzelstücke als auch geschlossene Bestandsgruppen ausgezeichnet: so enthält sie u.a. eine von weltweit insgesamt 13 erhaltenen Exemplaren der 36-zeiligen Gutenberg-Bibel (Bamberg, um 1460), einen vollständigen Pergamentdruck des Mainzer Psalters (Johann Fust, Peter Schöffer, 1457) und Beispiele fast aller bis 1500 gedruckten Bibeln.
Von den etwa 44.000 Werken des 16. Jahrhunderts entfallen die meisten auf den deutschen Sprachraum (ca. 24.000 Titel), gefolgt von Italien und Frankreich. In den Niederlanden wurden mehr als 2.000, in Spanien etwa 900, in England ca. 100 Titel publiziert. Die meisten Werke dieser Zeit (ca. 26.000) sind in lateinischer Sprache erschienen, weiters sind mehr als 8.000 Texte in deutscher, ca. 5.000 in italienischer, über 2.250 in französischer, etwa 1.000 in spanischer und der Rest vor allem in griechischer (ca. 300), hebräischer (ca. 300) oder einer slawischen Sprache verfasst.
Von den über 64.000 Bänden aus dem 17. Jahrhundert sind etwa 38.300 in lateinischer, ca. 7.800 in deutscher, 5.500 in italienischer, ca. 6.500 in französischer, etwa 4.000 in spanischer und mehr als 800 in hebräischer Sprache erschienen.
Unter den etwa 115.000 Werken des 18. Jahrhunderts finden sich ca. 41.500 deutschsprachige Titel. Die übrigen Titel setzen sich aus ca. 40.000 lateinischen, ca. 15.400 französischen, etwa 8.700 italienischen, ca. 1.300 spanischen, des Weiteren aus englischen (ca. 900), griechischen (ca. 300), hebräischen (ca. 200) und Werken aus dem slawischen Bereich (ca. 300) zusammen.
Bei den über 458.000 Titeln des 19. Jahrhunderts (davon ca. 200.000 bis 1850) liegen etwa 242.000 Werke in deutscher Sprache (davon ca. 100.00 bis 1850) vor. Signifikant ist der Bestand an slawischen (insgesamt ca. 40.200, davon ca. 19.000 bis 1850) und ungarischen Werken (insgesamt ca. 10.500, davon ca. 4.200 bis 1850). Daneben finden sich ca. 48.800 französische (davon ca. 20.000 bis 1850), 41.200 italienische (davon 17.000 bis 1850), 26.650 lateinische (davon ca. 16.000 bis 1850), 5.000 spanische (davon 2.000 bis 1850), 4.400 englische, 900 griechische und etwa 900 hebräische Titel im Bestand des 19. Jahrhunderts. Zu den hier aufgezählten Werken kommen insgesamt noch etwa 10.000 Titel ohne Angabe des Erscheinungsjahres.
Beachtenswert ist schließlich auch der Bestand der Zeitungen und Zeitschriften. In Wien, wo seit dem Ende des 15. Jahrhunderts das Buchgewerbe in Blüte stand, gab es eine besondere Tradition auf dem Gebiet der nichtperiodischen Nachrichtenblätter, der sogenannten "Neuen Zeitungen". Von den insgesamt 246 zwischen 1492 und 1705 nachgewiesenen Ausgaben erschienen allein 195 in Wien. Allerdings blieb nur ein kleiner Teil erhalten und der Bestand an der Bibliothek ist dementsprechend gering. Von den ab dem 17. Jahrhundert periodisch erscheinenden Zeitungen sind als ältestes Wiener Beispiel die in der Offizin des Matthäus Formica seit 1621 gedruckten "Ordinari Zeittungen" zu nennen. In Ergänzung zu dem auf auswärtige Meldungen beschränkten Blatt schuf Formica 1622 die "Ordentlichen Postzeittungen", die ausschließlich Nachrichten aus Wien, vor allem vom Kaiserhof, sowie aus Ost- und Südeuropa brachten. Ebenfalls in den Beständen vertreten ist das 1703 gegründete "Wienerische Diarium", das noch heute als "Wiener Zeitung" fortbesteht. Im 18. und 19. Jahrhundert liegt ein Schwerpunkt bei den Periodika aus dem Raum der österreichisch-ungarischen Monarchie, in italienischer, tschechischer, polnischer, serbischer, kroatischer, ungarischer, aber auch in lateinischer Sprache.
Erwerbung von Sammlungsobjekten
Die Erwerbungen erfolgen zu folgenden Objektgruppen:
(1) Inkunabeln (inkl. Einblattdrucke bis 1500)
(2) Druckschriften 1501 - 1850
(3) Wertvolle und besonders seltene Druckschriften (ohne zeitliche Begrenzung)
(4) Erotica (ohne zeitliche Begrenzung)
(5) Bibliophile Druckschriften ("Luxus-Ausgaben", ohne zeitliche Begrenzung)
(6) Fragmente (z.B. Buchbindermakulatur aus alten Einbänden)
(7) Sinica, Japonica, Persica in Auswahl (ohne zeitl. Begrenzung)
(8) Druckschriften in bemerkenswerten Einbänden (ohne zeitliche Begrenzung)
Schwerpunkte
Grundsätzlich Austriaca zu (1)-(5)
Ergänzungen zu (1)-(3) im über Austriaca hinausgehenden grundsätzlichen Sammelgebiet der Österreichischen Nationalbibliothek (z.B. hinsichtlich Druckschriften aus ehemaligen österreichischen Sammlungen von Humanisten-, Adels-, Klosterbibliotheken usw.)
Fachliteratur
Sammelschwerpunkt
Literatur zum gesamten Sammelgebiet:
Buchgeschichte (Druckgeschichte, Verlagsgeschichte, druckgrafische Techniken, Sozialgeschichte des Druckgewerbes, Rezeptionsgeschichte, Einbandkunde, Bibliophilie)
Geschichte der Bibliotheken
Bibliographien und Bibliothekskataloge zum Sammelgebiet
Personalbibliographien zu Autoren des 15-19. Jhs.
In Auswahl
Antiquariats- und Auktionskataloge
Faksimile-Ausgaben von Inkunabeln, Druckschriften 1501-1850, sowie seltenen und wertvollen Drucken Standardwerke (Lexika, Wörterbücher etc.)