PROJEKTE
ÖSTERREICHISCHES LITERATURARCHIV
Nachlaß- und Werkdokumentation zu Albert Drach
Projektleitung: Univ.-Prof. Dr. Ingrid Cella
Projektmitarbeit: Dr. Eva Schobel
Fax: (+43 1) 534 10 / 340
e-mail: lit@onb.ac.at
Finanzierung: Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank
Laufzeit: März 1996 bis 1998 (wird fortgesetzt).
Das Werk des im März 1995 im 93. Lebensjahr verstorbenen österreichischen Autors Albert Drach
wurde erst in den letzten Jahren zum Ziel kontinuierlicher literaturwissenschaftlicher Forschung. Die gesamte
schriftstellerische Existenz des Autors zeichnet sich durch eine extreme Ungleichzeitigkeit seiner literarischen
Produktion einerseits und der Publikation und Rezeption seiner Arbeiten andererseits aus. Diesem Umstand
und der Tatsache, daß Drach 1938 emigrieren mußte, sind zuzuschreiben, daß der erhalten
gebliebene Nachlaß auch die Problematik der Lebens- und Rezeptionsgeschichte dieses Autors
widerspiegelt. Eine Nachlaß- und Werkdokumentation zu Drach betrifft darüber hinaus auch
fachübergreifende Schwerpunkte wie Exil, Remigration, österreichische Zeit- und
Verdrängungsgeschichte.
Als Drach im Jahr 1964 mit der Veröffentlichung seines Romans "Das große Protokoll gegen
Zwetschkenbaum" erstmals ‚entdeckt' wurde, war der Verfasser bereits 62, der in der Emigration
entstandene Text immerhin schon 25 Jahre alt. Nach einer ersten Phase der mehrpersonen- als textorientierten
Rezeption, die im wesentlichen auf mit Anekdoten angereicherte Rezensionen beschränkt blieb, geriet der
Autor bereits während der Veröffentlichung seiner "Gesammelten Werke" in zunehmende
Vergessenheit. Erst seine Wiederentdeckung im Jahr 1988, die einerseits durch die Wiederveröffentlichung
und kritische Neubewertung seines Emigrationsberichts "Unsentimentale Reise", andererseits durch
die Zuerkennung des Georg Büchner-Preises ausgelöst wurde, führte zu einer qualitativ neuen
sowohl textkritischen als auch von rezeptions- und produktionsästhetischen Fragestellungen ausgehenden
Auseinandersetzung mit seinem umfangreichen Oeuvre. Drachs "Protokollstil", seine Poetik, die
Entstehungs- und Wirkungsgeschichte seiner Werke im historischen und lebensgeschichtlichen Zusammenhang
sind zunehmend Gegenstand einer ambitionierten Forschung, an der auch jüngere Wissenschaftler und
Studenten teilhaben.
Ziel des Forschungsprojekts ist es vor allem, durch Erschließung des Nachlasses die wissenschaftliche
Voraussetzung für weiterführende Forschungen zu schaffen. Die Arbeit kann auf zwei bereits
abgeschlossenen, ebenfalls durch den Jubiläumsfonds finanzierten Projekten zu Leben und Werk des
Autors aufbauen. Eine für das Jahr 2002 zum 100. Geburtstag geplante Drach-Biographie wird vorbereitet.
Eva Schobel hat den Vorlaß Albert Drachs noch zu seinen Lebzeiten gesichtet und grob katalogisiert; das
nun schon länger laufende Projekt ermöglicht nun eine detaillierte Feinaufnahme im ÖLA, das
den Nachlaß erworben hat und aufbewahrt.
Drachs Nachlaß besteht aus Handschriften und Typoskripten zu seinem veröffentlichten und
unveröffentlichten Werk, persönlichen Aufzeichnungen, lebensgeschichtlichen Dokumenten, der
Korrespondenz und der juristischen Hinterlassenschaft des Anwalts. Das Oeuvre ist ab der Mitte der 60er Jahre
relativ geschlossen überliefert. Erhalten gebliebene Werke und Fragmente lassen sich bis in das Jahr 1920
zurückdatieren. Das Material ist in äußerst unterschiedlichem Zustand. Neben den gut erhaltenen
Handschriften in Heften und relativ gut sortierten Typoskripten der noch nicht oder nur in Zeitschriften publizierten
Werke sind frühere Textstufen zu den veröffentlichten Werken häufig durcheinandergeraten. Auch
eine Durchmischung völlig unterschiedlicher Texte und Text-Fragmente ist keine Seltenheit.
Die Aufarbeitung des Nachlasses orientiert sich im wesentlichen an den Vorgaben der "Regeln zur
Erschließung von Nachlässen und Autographen" (RNA). In einem anfänglichen Arbeitsschritt
wurden die ersten elf Kartons der Bestandsliste geordnet. Anschließend wurden die völlig ungeordneten
Werkteile bearbeitet. Es handelt sich dabei um fünf Kartons mit vermischten Einzelblättern, Texten und
Text-Fragmenten, die bereits weitgehend den entsprechenden Werken zugeordnet werden konnten.
Hinsichtlich der Veröffentlichungen konnte vor allem bezüglich des erzählerischen Werks ein erster
Überblick über das vorliegende Material gewonnen werden. Die ab 1964 entstandenen Romane
"Z.Z. - das ist die Zwischenzeit" und "Untersuchung an Mädeln" liegen sowohl in ihren
handschriftlichen Urfassungen wie auch als Typoskripte mit Korrekturen vor. Komplizierter verhält es sich mit
den in der Emigration verfaßten Werken des Autors. So sind von der "Unsentimentalen Reise"
Typoskripte und Fragmente früherer Fassungen erhalten, die sich wesentlich von der publizierten Endfassung
unterscheiden und keinen vollständigen Textkorpus ausmachen. Die Erforschung der Text-Genese wird sich
als dementsprechend kompliziert erweisen.
Als begleitende Recherchemaßnahme hat die Sachbearbeiterin eine Reise in die Emigrationsorte des Autors
unternommen und Gespräche mit Zeitzeugen geführt, die Albert Drach gekannt haben.