Rachels Klage um ihre Kinder

Rachel Plorans Filios Suos Sive Salisburgum Subditos A Fide Et Fide Apostatas, Agitante Ac Triumphante Orco. Cujus Vox Ut Audiatur In Rama, Sive Roma Universa Catholica, Hic Aoniæ Tubæ Sonus In Omnem Terram Exit. -  [S.l. Salzburg?], 1732.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 308.347-D.Alt-Einb

Detailinformation

Rachel, die zweite Frau des Patriarchen Jakob, die sich lange vergebens nach Kindern gesehnt hatte, stirbt nach der Geburt ihres zweiten Sohnes Benjamin auf der Reise und wird am Wegrand begraben (Genesis 35,19). Viele Jahrhunderte danach beschwört der Prophet Jeremias im Zusammenhang mit der babylonischen Gefangenschaft das Bild der Mutter Rachel – der Mutter Israel –, die um ihre verlorenen Kinder weint: „So spricht der Herr: Ein Geschrei ist in Rama zu hören, / bitteres Klagen und Weinen. Rahel weint um ihre Kinder / und will sich nicht trösten lassen, / um ihre Kinder, denn sie sind dahin.“ (Jeremias 31,15)

Der anonyme Autor der Rachel plorans wählt das gleiche Bild der klagenden Rachel (der Mutter Salzburg) im Zusammenhang mit der Ausweisung der Salzburger Protestanten durch den Erzbischof Leopold Anton von Firmian im Winter und Frühjahr 1731/32. So wie die babylonische Gefangenschaft des Volkes Israel wird das Schicksal der Salzburger Exulanten in diesem fast 70 Seiten langen Gedicht als Gottesstrafe dargestellt, der Erzbischof wird als Held gepriesen.  

Rückblickend erhält Salzburgs Klage um seine verlorenen Kinder einen Doppelsinn: Die Abwanderung von über 20.000 Personen (bei der vom Erzbischof importierte österreichische Soldaten nachhalfen) innerhalb von nur wenigen Monaten hatte schlimme Folgen für die Wirtschaft des Landes. Die Mehrzahl der Vertriebenen waren Bauern und Handwerker, deren Arbeitskraft nun fehlte. Nach mühevollen Wanderungen, die viele nicht überlebten, konnte sich der größte Teil dieser Exulanten schließlich in Ostpreußen niederlassen.  

Im merkwürdigen Gegensatz zum ernsten historischen Hintergrund der Rachel plorans steht der prächtige, verspielte Rokokoeinband dieses Exemplars.


last update 16.04.2010